Eingeschlossen in Frachtcontainer:Viele Kinder unter den geretteten Flüchtlingen

35 Menschen in Container entdeckt

Polizisten sperren den Einfahrtsbereich zum Hafen von Tilbury ab: Hier wurden mehr als 30 Personen in einem Frachtcontainer entdeckt.

(Foto: AFP)

Klopfen und Rufe machten die Arbeiter am Hafen von Tilbury aufmerksam: In einem Container fanden sie 35 Menschen zusammengepfercht, die vermutlich aus Afghanistan stammen, darunter auch 13 Kinder. Für einen Mann kam jede Hilfe zu spät - die Polizei ermittelt wegen Menschenhandels.

  • Im Hafen von Tilbury in Großbritannien finden Arbeiter 35 Menschen in einem Frachtcontainer, einer von ihnen ist tot. Die Überlebenden werden medizinisch behandelt.
  • Das Schiff kam aus dem belgischen Seebrügge. Die Flüchtlinge stammen vermutlich aus Afghanistan.
  • Die britischen Behörden untersuchen mit Hilfe der belgischen Kollegen und Interpol den Fall weiter.
  • Der Flüchtlingsansturm auf die europäischen Grenzen hat in den vergangenen Tagen noch einmal zugenommen - sowohl in Italien als auch in Spanien kamen zahlreiche Menschen an.

35 Menschen in Frachtcontainer entdeckt

Arbeiter im Hafen von Tilbury in der englischen Grafschaft Essex machten die Entdeckung beim Entladen eines Schiffes. Sie fanden am Samstag einen Frachtcontainer, in dem zahlreiche Menschen ins Land geschmuggelt werden sollten. 35 Personen, darunter auch Kinder, waren darin auf engstem Raum zusammengepfercht.

Die völlig erschöpften Flüchtlinge kämen wahrscheinlich aus Afghanistan und gehörten der Sikh-Minderheit an, teilte die Polizei der englischen Grafschaft Essex mit. Ein Mann starb noch im Frachthafen in Tilbury östlich von London. 30 Flüchtlinge konnten nach einer medizinischen Behandlung das Krankenhaus am Sonntag bereits wieder verlassen, darunter 13 Kinder im Alter von einem bis zwölf Jahren. Die Erwachsenen, neun Männer und acht Frauen, waren 18 bis 72 Jahre alt. Vier weitere Flüchtlinge sollten eine zweite Nacht im Krankenhaus bleiben.

Die in dem Container eingeschlossene Gruppe war über Seebrügge in Belgien auf einem Frachter nach Großbritannien gelangt. Viele seien stark dehydriert und unterkühlt gewesen, sagte ein Sprecher der Rettungskräfte. Laut Polizei waren sie eine "erhebliche Zeitspanne" in dem Container.

Der Container war nach ersten Ermittlungen am Freitagabend im belgischen Seebrügge auf eine Übernacht-Fähre geladen worden. Das Frachtschiff mit 64 Containern und weiterer Ladung an Bord traf am Samstagmorgen in Tilbury im Südosten Englands ein. Beim Entladen hätten Hafenarbeiter ein Klopfen gehört, hieß es. Darin fanden sie die ausgemergelten Menschen und verständigten die Polizei.

Weitere Ermittlungen

Die britische Polizei behandelt den Fall als Tötungsdelikt. Der Leichnam wurde zur Obduktion gebracht, der Container genau untersucht. Man betrachte die Menschen in dem Container als Opfer von Menschenhandel und wolle nun die verantwortliche Schlepperbande aufspüren, sagte ein Sprecher. Einige Opfer wurden am Sonntag bereits vernommen. Sie sollten anschließend den Grenzbehörden übergeben werden. Das Rote Kreuz kümmert sich um ihre Verpflegung.

Die internationale Polizeibehörde Interpol und Belgien beteiligen sich an den Ermittlungen. Die belgischen Behörden seien derzeit dabei, alle verfügbaren Fotos und Videoaufzeichnungen von Überwachungskameras auszuwerten, sagte ein Sprecher der belgischen Bundespolizei der Agentur Belga. "Wir untersuchen auch, wie die Kontrolle (des Containers) abgelaufen ist und wir versuchen, den Lastwagen ausfindig zu machen, der den Container angeliefert hat." Die Firma, der der Container gehört, wurde nicht genannt.

In den vergangenen Jahren sind immer wieder Menschen bei der Flucht in Containern erstickt, erfroren, verdurstet oder verhungert. In Großbritannien stranden deutlich weniger Flüchtlinge als etwa in Italien. Ein Einzelfall ist der Vorfall in Tilbury aber nicht: Im Juni wurden neun Bootsflüchtlinge im Ärmelkanal vor Dover gerettet, wo der Motor ihres Schlauchboots versagte. Anfang August entdeckte der Fahrer eines Kühltransporters laut BBC 16 Flüchtlinge in seinem Laster in Surrey in Südengland.

Flüchtlingsansturm auf Europas Grenzen

Mehr und mehr Menschen machen sich auf eine oft gefährliche Reise nach Europa - sie sind auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Armut in ihren Heimatländern. Viele Flüchtlinge stammen aus dem Bürgerkriegsland Syrien, auch aus Eritrea kamen zahlreiche Menschen.

An Italiens Küsten sind in den vergangenen Tagen fast 1500 Flüchtlinge aufgegriffen worden, die mit Booten das Gebiet der EU erreichen wollten. Zwei Männer seien ums Leben gekommen, teilte das Innenministerium am Freitag in Rom mit. Damit sind in diesem Jahr mehr als 100 000 Menschen von Nordafrika aus nach Italien geflohen - meist in kaum seetüchtigen Booten. Innenminister Angelino Alfano bekräftigte die Position seiner Regierung, dass die Kontrolle der Seegebiete und die Rettung der Flüchtlinge rasch von der Europäischen Union als Ganzes übernommen werden müsse.

Anfang der Woche erreichte auch Spanien ein großer Ansturm afrikanischer Flüchtlinge, mehr als 1200 erreichten über die Meerenge von Gibraltar EU-Gebiet. Nach Informationen der New York Times waren es am Montag und Dienstag mehr als im ganzen Jahr zuvor - die vielen Menschen mussten in Sporthallen untergebracht werden. An diesen beiden Tagen patrouillierte - anders als sonst - die marokkanische Küstenwache offenbar nicht. Hunderte Flüchtlinge versuchen täglich über den Seeweg oder über die abgesperrten Grenzen der spanischen Exklaven Melilla und Ceuta von Marokko aus in die EU zu gelangen.

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