Ein Anruf bei...:Ramona Pedretti

Ein Anruf bei...: Ramona Pedretti, 30, promovierte an der Uni Luzern und arbeitet heute als Gerichtsschreiberin am Schweizerischen Bundesgericht.

Ramona Pedretti, 30, promovierte an der Uni Luzern und arbeitet heute als Gerichtsschreiberin am Schweizerischen Bundesgericht.

(Foto: Privat)

Die Doktorarbeit der 30 Jahre alten Juristin aus der Schweiz ist das am häufigsten ausgeliehene Buch der UN-Bibliothek in New York. Es geht darin um die Immunität von Staatsoberhäuptern. Schmökern etwa Diktatoren in ihrer Dissertation?

Interview von Charlotte Theile

Zu den wichtigsten Fragen, die einen Diktator beschäftigen, gehört wohl diese: Werde ich mich eines Tages für meine Taten verantworten müssen? In ihrer 2014 veröffentlichten Dissertation mit dem Titel "Immunity of Heads of State and State Officials for International Crimes" hat Ramona Pedretti sich mit diesem Thema auseinandergesetzt - und in den vergangenen Tagen viel Aufmerksamkeit erhalten: Die Doktorarbeit der 30 Jahre alten Juristin aus der Schweiz ist das am häufigsten ausgeliehene Buch der Dag Hammarksjöld Library, der UN-Bibliothek in New York. Dieses Ergebnis twitterte die Bibliothek der Vereinten Nationen vergangene Woche, bevor sie plötzlich klarstellte: Es handelt sich bei dieser Rangliste nur um die der neuen Bücher, und der Spitzenreiter wurde tatsächlich nur zweimal ausgeliehen. Mehr als jedes andere immerhin. Was nun bleibt, ist die Frage: Was ist das eigentlich für ein Buch? Ein Anruf bei der Verfasserin. SZ: Frau Pedretti, vor einigen Tagen tauchte Ihre Arbeit auf dem Twitter-Account der UN-Bibliothek auf. Hat sich vorher nie jemand bei Ihnen gemeldet? Ramona Pedretti: Doch, vor allem Professoren und die Sonderberichterstatterin der UN zu diesem Thema. Ihr Buch thematisiert die Immunität von Staatsoberhäuptern.

Haben Sie einen Ratgeber für Diktatoren geschrieben?

Nein, natürlich nicht. Das ist vielleicht das, was manche daraus machen, aber es handelt sich um eine wissenschaftliche Publikation.

Wie sind Sie denn überhauptauf die Idee gekommen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?

Mir war während eines Praktikums in der Schweizer Botschaft in Dakar deutlich geworden, dass noch nicht systematisch untersucht worden ist, unter welchen Voraussetzungen die Immunität eines Diktators fällt und wann sie bestehen bleibt. Damals ging es um Hissène Habré, das frühere Staatsoberhaupt des Tschad. Inzwischen steht er im Senegal vor Gericht - nachdem er jahrzehntelang unbehelligt dort leben konnte.

Wie wird in solchen Fragen entschieden?

Wichtig ist das Gewohnheitsrecht, das naturgemäß nirgends festgeschrieben ist. Meine Grundfrage war daher: Was gilt überhaupt?

Und? Was gilt?

Es gibt verschiedene Arten von Immunitäten, je nachdem ob man es mit amtierenden oder ehemaligen Staatsoberhäuptern zu tun hat. Amtierende Staatsoberhäupter können zwar nicht in einem anderen Land vor ein nationales Gericht gestellt werden, wohl aber vor ein internationales Gericht wie den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Ehemalige Staatsoberhäupter hingegen genießen allgemein keine Immunität - das ist die Haupterkenntnis des Buches.

Generell kann man sagen: Als Diktator kann man sich immer weniger auf seine Immunität verlassen. Oder?

Ja, das stimmt. Wenn es um Kriegsverbrechen geht, können sich Staatsoberhäupter immer seltener darauf berufen.

Falls es Diktatoren waren, die Ihr Buch ausgeliehen haben, waren sie vermutlich nicht so zufrieden.

Ja, Staatsanwälte dürften daran mehr Freude haben.

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