Ein Anruf bei . . .:Melissa Cross, Gesangslehrerin für röhrendes Metall

Blut husten nach dem Metal-Konzert? Das muss - bei aller Liebe zum Röhren - nicht sein, sagt Melissa Cross. Richtiges Schreien lässt sich nämlich erlernen.

Von Anna Dreher

Singen kann man oft nicht nennen, was Metal-Bands so von sich geben. Aber auch Brüllen will gelernt sein. In New York wurde die Gesangslehrerin Melissa Cross vor ein paar Jahren in einem Notfall um Hilfe gebeten: Ein Sänger brachte bei Studioaufnahmen keinen Ton mehr heraus. Seither hat Cross schon Musiker von Slayer, Slipknot, Maroon 5 und auch Courtney Love das Schreien gelehrt.

SZ: Sie müssen ja ein gut isoliertes Apartment haben.

Melissa Cross: Oh ja! Aber es geht beim Schreien nicht so sehr um die Lautstärke.

Nein?

Nein, es geht um die richtige Power. Sonst strapaziert man nur die Stimmbänder. Mit der richtigen Technik schafft man die Illusion von Lautstärke, ohne laut zu sein.

Das klingt sinnvoll, aber schwierig.

Egal, ob man Oper, Pop, Rock, Metal oder Heavy singt, es sollte sich immer leicht anfühlen. Ich habe jahrelang gearbeitet, um herauszufinden, wie das geht - und arbeite immer noch daran.

Sie schreien also selbst viel?

Am Anfang habe ich die Sänger imitiert, gespürt, wie sich die verschiedenen Schreie anfühlen. Ich habe mir auch von einem Arzt eine kleine Kamera in den Rachen führen lassen, damit ich sehen konnte, was beim Schreien passiert.

Und?

Ohne die richtige Technik vibrieren die Stimmbänder nicht, sondern schlagen aneinander. Vor allem, wenn man Emotionen wie Wut in einen Schrei legt.

In den meisten Liedern geht es aber doch genau darum: Emotionen.

Melissa Cross

Melissa Cross, 59, war selbst Sängerin, bevor sie 1990 anfing, in New York Gesang zu unterrichten. Seit einigen Jahren ist sie zunehmend bei Sängern aus der Metal-Szene gefragt.

(Foto: OH)

Aber wenn man die Luft nicht gut reguliert, werden die Stimmbänder überanstrengt und schwellen an. Dann vibrieren sie nicht mehr und erzeugen keinen Klang. Manche Sänger, mit denen ich zusammenarbeite, haben früher nach Auftritten Blut gehustet, so schlimm war es. Das ist vielleicht mal cool gewesen, aber damit hältst du keine 30 Shows bei einer Tour durch.

Schreien Frauen oder Männer besser?

Es gibt leider nicht so viele Frauen in der Metal-Szene. Aber an und für sich schreien die Geschlechter gleich gut. Ich unterteile die Schreie in vier Typen: Fry Scream, ein trockener, hoher Schrei; False Cord Scream, der so klingt, als wenn man sich über etwas ärgert und dann entnervt laut seufzt; Death Scream, das ist ein tiefes Grollen, und dann gibt es noch ein Hybrid aus den ersten beiden. Das kommt bei Bands wie Aerosmith vor.

Sie könnten auch für Marktverkäufer oder Fußballtrainer nützlich sein.

Ich habe durchaus Börsenhändler und Trainer unter meinen Kunden. Es ist ja egal, ob man für ein Lied schreit oder sehr laut sprechen muss: Eine Stimme ist eine Stimme.

Hören die Fans eigentlich einen Unterschied?

Ich habe schon oft gesagt bekommen, dass meine Arbeit mit einer Band deutlich zu hören war. Oft versteht man ja kein Wort von dem, was sie da schreien. Nach meinem Coaching ist das besser.

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