Ein Anruf bei ...:Lutz Schelhorn, Rocker und Kämpfer für die Kutte

The Other Place Stuttgart Pressegespräch zum Thema Stuttgarter Hells Angels trotz des Verbots ab j

Seine Abzeichen sind ihm heilig: der Hells Angel Lutz Schelhorn.

(Foto: imago/Lichtgut)

Die Hells Angels und die Bandidos haben Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, weil sie ihre Kutten weiterhin tragen möchten.

Interview von Martin Zips

Weil das neue Vereinsgesetz ihnen das Tragen ihrer Symbole verbietet, haben Vertreter der Rockerklubs "Bandidos" und "Hells Angels" Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Ein Gespräch mit Antragsteller Lutz Schelhorn, Hells Angel aus Stuttgart.

SZ: Herr Schelhorn, warum ist es Ihnen als Rocker so wichtig, Kutte zu tragen?

Lutz Schelhorn: Meine erste Jacke mit Abzeichen habe ich schon vor 37 Jahren getragen. Der geflügelte Totenkopf bedeutet mir viel. Die Abzeichen der Hells Angels habe ich mir sogar auf Rücken, Brust und Arm tätowieren lassen. Wegen des neuen Vereinsgesetzes aber darf ich nicht mal mehr in die Sauna oder ins Schwimmbad. Das geht nicht.

Man kann halt ziemlich Angst kriegen vor so Totenkopf-Trägern, wie Sie es sind. Blutige Kämpfe, die Förderung von Prostitution, Drogenhandel und Geldwäsche werden manchen Rockern vorgeworfen.

Erstens sind viele Vorwürfe so schlicht nicht wahr. Leider wird hier viel zu wenig recherchiert. Aber es wurden auch viele Fehler in den Klubs gemacht. Natürlich gibt es in einer Familie mit mehr als 1000 Mitgliedern Kriminalität. Wie in jeder anderen Gesellschaftsform auch. Solche kriminellen Handlungen sind nichts anderes als ein überflüssiger Kropf - das sieht die große Mehrheit bei uns so.

Wirklich? Immer wieder diese Kämpfe mit den Bandidos ...

Wenn jemand Straftaten begeht, so kommt der vor Gericht. So ist das doch glücklicherweise in unserem Rechtsstaat, der insgesamt ganz gut funktioniert. Ich frage mich aber: Warum nimmt man uns alle ständig in Sippenhaft? Der Streit mit den Bandidos wurde schon längst beigelegt, die Taten verurteilt. Unsere Klubs arbeiten mittlerweile, wie bei der Verfassungsbeschwerde, sogar zusammen. Wir haben viele Gemeinsamkeiten und pflegen den gleichen Lebensstil.

Welchen Lebensstil denn, bitte? Gerade erst gab es eine Schießerei in Köln.

Es ist die Mischung aus Rebellion und Freiheit, die mich als junger Mensch schon begeistert hat. Wir haben gearbeitet, um anschließend möglichst lange im Sommer auf dem Motorrad rumzufahren. Und war das Geld alle, so haben wir uns wieder einen neuen Job gesucht. Ich wollte schon immer ein Leben, das nicht so spießig war wie der Tennisklub meiner Eltern. Übrigens: Auch mein Sohn ist heute ein Hells Angel. Und er betreibt ein Tätowierstudio, in dem auch meine Tochter arbeitet.

Auch spießig, irgendwie.

Hören Sie: Ich hatte unheimlich tolle Eltern und eine tolle Jugend. Mein Vater war Ingenieur. Guter Mittelstand. Und Sie können es sich gar nicht vorstellen, wie oft heute irgendwelche Fünfzigjährigen, die in ihrem Leben alles erreicht haben, plötzlich auf der Harley bei uns aufkreuzen und unbedingt Mitglied werden wollen. Im Gegensatz zu denen war ich schon etwas früher dran, mit meiner Selbstfindung.

Aber es bleibt doch ein läppischer, archaischer Männerbund, finden Sie nicht?

Gar nicht läppisch. Eine Lebenseinstellung. Und ja, ein Männerbund. Der Rotary Club ist auch nicht anders. Oder diese Studentenverbindungen. Und ich war mal zehn Tage im Kloster. Die Mönche dort tragen Kutte. Bei einem Bier haben wir abends festgestellt, dass wir ganz ähnlich ticken. Nur wird uns Rockern permanent die Freiheit entzogen.

Du liebe Güte.

Eine ganze Subkultur wird dadurch kriminalisiert, dass sie als "unzuverlässig" eingestuft wird. Findet der Polizist bei mir im Auto einen Wagenheber, dann kann der mir den als Hiebwaffe auslegen. Was strafbar wäre. In viele Länder dürfen wir nicht mehr einreisen. Nimmt man mir als Nächstes den Führerschein weg?

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