Ein Anruf bei ...:Heinz-Dieter Pohl, Mohrenkopf-Experte

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Ein Lübecker Kaffeehaus hat seine traditionelle "Mohrenkopf"-Torte gerade in "Othello-Torte" umbenannt. Dazu ein Gespräch mit einem österreichischen Sprachwissenschaftler.

Interview von Martin Zips

Wird als Nächstes er umbenannt? Der "Mohrenkopf" in Vorarlberg. (Foto: Kauk0r/Wikipedia)

Ein Lübecker Kaffeehaus hat seine traditionelle "Mohrenkopf"-Torte gerade in "Othello-Torte" umbenannt. Dazu ein Gespräch mit dem österreichischen Sprachwissenschaftler Heinz-Dieter Pohl.

SZ: Herr Pohl, ist es nicht gut und richtig, aus einer "Mohrenkopf-Torte" eine "Othello-Torte" zu machen? Diskriminierung fängt doch mit der Sprache an.

Heinz-Dieter Pohl: Das ist grundsätzlich richtig. Aber man sollte nicht gleich jedem eine böse Absicht unterstellen, der einen traditionell gebräuchlichen Ausdruck benutzt. Zudem hilft die Torten-Umbenennung in Sachen politischer Korrektheit nicht, wenn man weiter beim Äußerlichen bleibt. Und "Othello" ist bekanntlich eine literarische Figur mit schwarzer Hautfarbe. Der Konditor hätte sich schon einen völlig anderen Namen für sein Gebäck überlegen müssen.

Eines Ihrer Schwerpunktgebiete als Sprachwissenschaftler sind Oronyme, also Bergnamen. In Vorarlberg gibt es einen Berg, der "Mohrenkopf" heißt. Sollte man den nicht bald umbenennen?

Manche Menschen sehen das sicher so. Und bestimmt meinen sie es gut. 90 Prozent unserer Bergnamen entsprangen tatsächlich dem Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Damals lag der Name "Mohrenkopf" für einen Berg näher als heute.

Es gibt aber auch Pilze, Schmetterlinge, Tauben, Pferde, Papageien und Haushühner, die "Mohrenkopf" heißen.

Ja, die müsste man dann auch alle umbenennen. Ob das aber sinnvoll ist?

Logisch!

Dann sollten wir künftig auch nicht mehr "Pilsener Bier" und "Prager Schinken" sagen. Weil Pilsen und Prag korrekt Plzeň und Praha heißen. Auch der bei uns gebräuchliche Ortsname "Mailand" diskriminiert eigentlich nur Italiener.

Wurde denn schon mal ein Berg in ein- und derselben Sprache umbenannt, weil sein Name als zu diskriminierend empfunden wurde?

Das ist mir nicht bekannt. Kann aber alles noch kommen. Mir ist lediglich bekannt, dass in Osttirol mal ein Berg auf Beschluss des zuständigen Gemeinderats den Namen eines Wurstherstellers erhielt. Fand ich schon bedenklich.

Was könnte man noch so umbenennen?

Menschen, die auffällige Familiennamen haben. Zum Beispiel die, die in Norddeutschland Störtebeker und in Süddeutschland Stürzenbecher heißen. Dieser Name wurde, so sagt man, "verliehen", da die ersten Namensträger gerne den Becher stürzten - also viel tranken. Oder alle Namen mit Knopp, Knöpfle, Knafl - denn das bedeutet immer: kleiner, rundlicher Mensch. Auch die Menschen, die mit Nachnamen Neger heißen. Und den "Zigeunerbaron".

Ganz schön viel zu tun.

Wissen Sie: Es ist ja gut und richtig, dass sich die Menschen heute so gegen diskriminierende Ausdrücke wenden. Viel wichtiger aber wäre es, sich mal für die allgemeine Sprachentwicklung zu interessieren. Zum Beispiel stelle ich fest, dass in Zeitungen immer von "Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmännern" die Rede ist. Wieso schreibt man nicht einfach: "Feuerwehrleute"? Das vereint alle - und genau das wäre doch gut und richtig: uns wieder mehr als menschliche Gesamtheit zu begreifen und nicht ständig kreuz und quer Grenzen zu ziehen.

Wo werden solche Grenzen heute noch gezogen?

Zum Beispiel dort, wo englische Ausdrücke für Sachen verwendet werden, für die es auch deutsche Ausdrücke gibt. So etwas wendet sich gegen die sprachliche Vielfalt und zieht - vielleicht bewusst - eine Grenze zwischen Jungen und Alten, Fachkundigen und Fachfremden, Modernen und Altmodischen. So wächst die Welt nicht zusammen! Natürlich muss man nicht "Klapprechner" sagen, wenn "Laptop" gemeint ist. Aber zum Beispiel "Kids" zu verwenden, wo an Kinder gedacht ist, das ist doch einfach Quatsch.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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