Ein Anruf bei . . .:Daniel Harnsberger, wrestelnder Immobilienmakler

The Progressive Liberal

Hassfigur des konservativen US-Publikums: "The Progressive Liberal".

(Foto: oh)

Er nennt sich "The Progressive Liberal", Kampfkleidung: Hillary-Clinton-Shirt - und im konservativen Kentucky würden ihn viele gern im Ringstaub sehen.

Interview von Jürgen Schmieder

Wrestling ist in Amerika eine emotionale und bisweilen nationalistische Angelegenheit: Der Bösewicht trägt nicht selten die Flagge eines Landes, mit dem sich die USA gerade im Krieg befinden, am Ende wird er unter "U-S-A"-Rufen vom Helden auf die Bretter geschickt. Im Appalachian Mountain Wrestling in den konservativen Bundesstaaten Kentucky und Virginia gibt es nun aber einen Amerikaner, den die Zuschauer gerne im Ringstaub sehen würden: Daniel Harnsberger, 36, Immobilienmakler - der sich im Ring Daniel Richards, "The Progressive Liberal", nennt. Kampfkleidung: ein Hillary-Clinton-Shirt.

SZ: Mister Harnsberger, wo erreichen wir Sie gerade?

Daniel Harnsberger: Im Fitnessstudio, ich arbeite an meinem prägenden Manöver, mit dem ich meine Gegner erledige: ein klassischer Genickbrecher. Außerdem muss ich an Gewicht zulegen, die letzten Kampfabende waren ziemlich hart. Ich will nicht als Schwächling dastehen.

Wie geht es auf solchen Abenden zu?

Ich würde sagen, von 100 Menschen gibt es einen, der mich anfeuert. Die anderen 99 wollen mich verlieren sehen, doch das passiert nicht: Der linksliberale Typ gewinnt immer! Das macht die Zuschauer noch wütender - vor allem, wenn man zuvor ihren Stolz verletzt und sich über ihren Akzent oder ihre Ignoranz lustig gemacht hat. Was die Leute am meisten aufregt: Wenn man ihnen sagt, dass sie bei der Präsidentschaftswahl gegen ihre eigene Überzeugung gestimmt haben. Da flippen sie aus.

Ihre Siege folgen wie im Wrestling üblich einem vorher festgelegten Ablauf. Der liberale Kämpfer, ist das für Sie nur eine Rolle, die Sie spielen?

Nein, ich lasse meine persönliche Meinung in diese Figur einfließen - und ganz offensichtlich gefällt es den Leuten, mich zu hassen. Diese Typen am rechten Flügel labern doch nur und haben die Angewohnheit, in Debatten schnell aggressiv zu werden. Dagegen müssen wir uns wehren! Die Konservativen brüsten sich immer damit, dass sie für ihre Überzeugungen einstehen würden, warum können wir das nicht auch tun? Warum müssen wir uns immer kompromissbereit geben? Wenn mir jemand vor einem Kampf ein Mikrofon in die Hand drückt, dann sage ich, was ich denke. Ich lasse mich gewiss nicht einschüchtern.

Wurde es schon mal ungemütlich?

Bei einer Show habe ich während des Interviews vor dem Kampf verkündet, alle Waffen konfiszieren zu wollen. Da ist einer aufgestanden, hat seine Pistole gestreichelt und auf mich gezeigt. Einer hat sogar schon angekündigt, mich erschießen zu wollen. Ansonsten bleibt es eher bei Beleidigungen. Die gängigste: "You fucking liberal!" Übrigens feuern die Leute meistens nicht meinen Gegner an, sondern brüllen: "Trump, Trump, Trump!"

Nach Wrestling-Dramaturgie muss am Ende eigentlich immer der Bösewicht verlieren, also müssten Sie doch auch ...

... Moment mal: Warum bin ich der Bösewicht? Wir sind die Guten!

Das sehen die Leute in Kentucky und Virginia aber anders.

Und sie liegen damit so falsch wie mit ihren politischen Ansichten. The Progressive Liberal wird am Ende obsiegen, das können Sie mir aber glauben.

Ganz schön selbstbewusst.

Ich hatte bei Twitter bis vor kurzem exakt 29 Follower. Ich wrestle seit 14 Jahren nebenbei. Aber seit ich als The Progressive Liberal antrete, wollen die Leute mich sehen.

Und jetzt sollen Sie bald sogar in der Sendung von Tucker Carlson auftreten - im konservativen Sender FoxNews.

Ich bin dankbar für das Interesse, das ist die aufregendste Zeit in meinem Leben. Ich bin jetzt ja der angesagteste Wrestler der USA. Ach was, auf der ganzen Welt.

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