Ein Anruf bei...:Carmen Meister

Die Bürgermeisterin von Drogen in Thüringen findet es nicht mehr lustig: Immer wieder wird das Ortsschild geklaut. Was tut sie gegen das Drogen-Problem?

Interview von Sophie Burfeind

Der Gemeinde Drogen in Thüringen wurde in der Silvesternacht das Ortsschild geklaut. Wieder mal. Für die 125 Einwohner sei das fast schon Alltag, sagt Bürgermeisterin Carmen Meister.

Frau Meister, wie kommt man eigentlich auf die Idee, einen Ort "Drogen" zu nennen? Das lädt ja geradezu zum Schilderklau ein.

Diese Idee ist vor 875 Jahren entstanden, welche Beweggründe das hatte, können wir nicht mehr so richtig nachvollziehen.

Und was tun Sie gegen das Drogen-Problem?

Wir können nicht viel tun. Wir können nur immer wieder Schilder aufbauen und versuchen, sie so zu sichern, dass sie schwer abzumontieren sind.

Wie viele Schilder wurden denn schon geklaut?

Das Schild am Ortseingang wurde binnen eines Jahres dreimal gestohlen. In den letzten zehn Jahren sind so an die 15 Schilder verloren gegangen.

Eins wurde mal in Hamburg in einem Club wiedergefunden.

Ja, es ist auch mal eins bei einem jungen Mann im Auto gefunden worden. Aber man konnte ihm nicht nachweisen, dass er es auch abgeschraubt hat.

Lassen sich die Schilder nicht besser sichern?

Wir haben alle Schilder schon weiter in Richtung Ortsmitte versetzt. Wir hatten auch schon die Sendung "Mach dich ran" vom MDR da, die unsere Schilder diebstahlsicher verschweißt haben. Aber dann wurden sie das nächste Mal mit einer Flex rausgeschnitten. Manchmal wurde auch der Pfosten abgesägt, der Stumpf stand noch.

Das Ortseingangsschild von Drogen Thüringen; drogen

Drogen genommen: Das Ortsschild des Dorfes Drogen in Thüringen wurde an Silvester geklaut, zum wiederholten Mal.

(Foto: Thomas Eisenhuth/imago)

Was kostet so ein Schild?

Ein neues Schild kostet an die 500 Euro. Das ist viel für eine kleine Gemeinde wie Drogen, wenn man das mehrmals im Jahr ersetzen muss.

Haben Sie nicht dauernd Ersatz-Drogen auf Lager?

Nein, die Schilder werden erst angefertigt, wenn es der Haushalt zulässt. Wir haben Phasen, da heißen wir ein paar Monate lang nur "50". Damit die Autofahrer wissen, dass hier Tempo 50 gilt.

Können Sie die Drogen-Problematik eigentlich noch mit Humor nehmen?

Das mit den Schildern ist ärgerlich. Aber wir sind schon stolz, dass wir in Drogen leben und sich doch ab und zu jemand für uns interessiert.

Als Sie Bürgermeisterin wurden, nannte man Sie "Drogen-Boss".

Das fand ich nicht so schön. Vor allem die Schlagzeilen "Drogen-Boss ist eine Frau" und "Hanf im Gemeinderat". So heißt hier eine Familie.

Ist es Ihnen manchmal peinlich zu sagen, wo Sie herkommen?

Nee, das ist schön. Ich sage: "Ich bin aus Drogen" und wenn die Leute stutzig gucken, sage ich: "so wie Heroin". Und ich würde mit Stolz ein T-Shirt mit der Aufschrift "I love Drogen" tragen.

Haben Sie mal darüber nachgedacht, den Ortsnamen zu ändern, so wie die Gemeinde Fucking in Österreich?

Nein. Die Schilder werden uns auch erst seit der Wende geklaut. Ich denke, Drogen sind jetzt einfach mehr im Gespräch.

Sind Sie in einer Selbsthilfegruppe für Gemeinden mit ähnlichen Problemen?

Nein, aber es gibt in der Nähe noch die Orte Lederhose und Amerika - die haben auch ein bisschen Schwierigkeiten.

Carmen Meister

Carmen Meister,53, lebt seit 14 Jahren in Drogen bei Gera und ist seit März 2015 Bürgermeisterin. Als sie gewählt wurde, titelte die Lokalpresse: "Drogen-Boss ist eine Frau". Sie kämpft mutig gegen dreiste Drogen-Kriminelle.

(Foto: Martin Gerlach/dpa)
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