Ehec-Infektionen:"Die Lage ist ernst"

Der lebensgefährliche Ehec-Erreger breitet sich weiter aus: Allein in Schleswig-Holstein ist die Zahl der Verdachtsfälle auf 200 gestiegen, viele Infizierte liegen auf der Intensivstation. Die Ursache vermuten Experten in Gemüse.

Die Zahl der EHEC-Verdachtsfälle hat sich in Schleswig-Holstein innerhalb eines Tages mehr als verdoppelt. Sie seien auf mehr als 200 gestiegen, teilte am Dienstag das Gesundheitsministerium in Kiel mit. Der Grund für die insgesamt mehr als 140 teils lebensgefährlichen Erkrankungen ist noch nicht gefunden.

Darmbakterium EHEC

EHEC-Bakterien unterm Mikroskop: Bundesweit haben sich bislang mehr als 80 Menschen angesteckt.

(Foto: dpa)

Der Erreger grassiert vor allem in Norddeutschland, taucht aber auch in anderen Bundesländern auf. Mehrere Infizierte kämpfen um ihr Leben: Einige von ihnen wurden am Montag künstlich beatmet, ein Patient liegt nach Krämpfen im Koma.

"Das ist eine ernsthafte Krankheit, damit ist nicht zu spaßen", hieß es aus der Hamburger Gesundheitsbehörde. Vor allem die Häufung der schweren Fälle sei ungewöhnlich, meinte auch Arzt Jun Oh vom Hamburger Universitätsklinikum: "So heftig gab es das bisher kaum."

Ungewaschenes Gemüse als Quelle der Infektionen?

Die Suche nach dem Auslöser hat bislang kaum Erkenntnisse gebracht. Unter Verdacht ist weiterhin ungewaschenes Gemüse. Die Angaben der Betroffenen lassen nach Angaben des Hamburger Institutes für Hygiene und Umwelt vermuten, dass die üblichen Erregerquellen wie Rohmilch, Frischkäse und Rindfleisch für den großen Ausbruch des Erregers ausscheiden. Die Patienten hätten wenig Fleisch gegessen.

In Niedersachsen habe man landesweit 67 EHEC-Erkrankungen oder EHEC-Verdachtsfälle registriert, sagte Sozialministerin Aygül Özkan. Zehn Patienten litten an der schwersten Form der Krankheit, am hämolytisch-urämischen Syndrom, das zu Nierenversagen führen kann. Einige Patienten schwebten in akuter Lebensgefahr.

Die Keime rufen starke Nierenschäden hervor. Nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) ist die Infektionsquelle für die EHEC-Durchfallerkrankungen möglicherweise noch aktiv. Erkrankt seien zurzeit auffällig viele erwachsene Frauen.

In Schleswig-Holstein sind 200 Verdachtsfälle von blutigen Durchfallerkrankungen bekannt, die mit dem EHEC-Erreger in Verbindung gebracht werden. Davon nahmen 13 einen schweren Verlauf mit Nierenversagen. Das sei "auffällig häufig", teilte das Kieler Gesundheitsministerium mit.

Auch in Hamburg hat die Zahl der Infizierten weiter zugenommen: 40 Erkrankte im Alter von neun bis 81 Jahren behandelten Ärzte in Krankenhäusern der Hansestadt. Ihr Gesundheitszustand sei teilweise kritisch, hieß es in einer Mitteilung der Gesundheitsbehörde. "Die Lage ist weiter ernst", sagte ein Behördensprecher. Man habe es mit einer ungewöhnlichen Ausbreitung des Bakteriums zu tun.

Hygieneregeln genau beachten

Allein in Krankenhäusern im Land Bremen wurden 53 Menschen wegen des EHEC-Erregers behandelt. Es handele sich aber noch überwiegend um Verdachtsfälle, nur zweimal gab es bislang eine Bestätigung, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsressorts. Nach Angaben der Sprecherin sprechen die Ärzte bei neun Patienten von einem "schweren Verlauf".

Auch ins Berliner Charité-Krankenhaus Benjamin Franklin wurden zwei Patienten mit Verdacht auf EHEC-Infektion eingeliefert. Eine Frau habe blutige Durchfälle, sagte ein Arzt. Die Fälle müssten nun im Detail rasch untersucht werden.

In Frankfurt müssen zwei Patienten, die sich mit EHEC angesteckt haben, sogar künstlich beatmet werden. "Sie sind in einem kritischen Zustand", sagte ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes. Insgesamt würden zehn Menschen im Krankenhaus behandelt, davon vier auf der Intensivstation.

Mindestens drei Menschen - zwei Frauen und ein Mann - haben sich im Saarland mit dem lebensbedrohlichen Durchfallkeim EHEC infiziert. Zwei dieser Patienten lägen auf der Intensivstation, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Zudem gebe es noch einen Verdachtsfall.

Auch in Nordrhein-Westfalen sind mehrere Menschen erkrankt. Bis zu acht schwere Fälle wurden dem Düsseldorfer Gesundheitsministerium bis Montagabend offiziell gemeldet. Hinzu kommen weitere bis zu sechs schwere Fälle im Kreis Paderborn. Nachgewiesen wurde der Erreger erst bei drei der insgesamt 14 schwerkranken Patienten. Bei den anderen besteht aber der Verdacht.

Das Düsseldorfer Gesundheitsministerium rief angesichts der Meldungen über Durchfallerkrankungen vorsorglich zur Beachtung von Hygieneregeln wie regelmäßigem Händewaschen sowie zu besonderer Sorgfalt im Umgang mit Lebensmitteln auf. Gemüse und Obst sollten, wenn sie roh gegessen werden, gründlich gewaschen werden. Auch alle Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Ärzte und Apotheken in NRW wurden vom Ministerium informiert.

Das Durchfall-Bakterium ruft zurzeit ungewöhnlich schwere Krankheitsfälle hervor. Im vorigen Jahr wurden in NRW 177 Fälle von Erkrankungen durch den EHEC-Erreger dokumentiert, die meisten verliefen laut Ministerium aber ohne größere Komplikationen.

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