Dresden:Der Tod von Anneli-Marie

Auftakt Anneli-Prozess in Dresden

Vor dem Landgericht Dresden hat der Prozess gegen die zwei mutmaßlichen Mörder der 17-jährigen Anneli-Marie begonnen.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Die Tat war lange geplant, die Ausführung dilettantisch: In Sachsen hat der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder einer 17-jährigen Schülerin begonnen.

Von Hans Holzhaider

Dresden - "Es war ein warmer Sommertag", sagt Uwe Riße, 58. Donnerstag, der 13. August 2015. Ein Tag, der begonnen hatte wie viele andere, und der schrecklich enden sollte für die Familie in der kleinen Ortschaft Robschütz in der Nähe der Porzellanstadt Meißen. Uwe Riße, Inhaber eines Bauunternehmens, war gegen 18 Uhr vom Büro nach Hause gekommen, die Familie - Vater, Mutter und die 17-jährige Anneli-Marie, hatten gegessen, "und dann ist Anneli mit Paula, unserem Hund, losgezogen", so wie fast jeden Tag um diese Uhrzeit. Uwe Riße schwang sich auf den Rasenmäher, das Handy lag auf einem Tisch auf der Terrasse. So kam es, dass der Vater nicht gleich am Telefon war, als es klingelte. "Ich sah, dass der Anruf von Anneli-Marie kam", sagt Uwe Riße, "da musste es was gegeben haben".

Am Telefon hörte der Vater seine Tochter zum letzten Mal

Er rief sofort zurück, "und da war deutlich zu vernehmen die Stimme des Herrn Beisser". "Das wussten Sie aber damals nicht", wendet die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand ein. "Es gibt Stimmen, die man nicht vergisst", sagt Uwe Riße, "das war der Beisser. Er sagte, dass er unsere Tochter habe, und dass er 1,2 Millionen Euro wolle. Ich glaubte zuerst an einen bösen Scherz, aber er sagte, das sei kein Scherz, ob ich sie hören wolle. Und dann habe ich sie zum letzten Mal gehört: Es war so ein ungläubiges Schreien, als ob sie denkt, das kann doch alles nicht wahr sein." Vier Tage später wird Anneli-Marie dann gefunden: nackt und tot, hastig verscharrt in einer Erdmulde neben einem Bauernhof, etwa zehn Kilometer entfernt von ihrem Elternhaus.

Vor dem Landgericht Dresden müssen sich seit Montag zwei Männer für den Tod der 17-jährigen Schülerin verantworten: Markus Beisser, 40, und Norbert Klein, 62. Beide sind angeklagt wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge, Markus Beisser darüberhinaus des Mordes. Er soll es gewesen sein, trägt Staatsanwältin Karin Dietze vor, der Anneli-Marie Riße vermutlich schon am Tag nach der Entführung eine Plastiktüte über den Kopf zog und sie dann mit Kabelbindern und einem Spanngurt erdrosselte, um zu verhindern, dass sie die Entführer identifiziert. Norbert Klein, so die Anklage, sei über die Tat seines Komplizen zwar entsetzt gewesen, habe ihn aber nicht davon abgehalten. Als Motiv für die Entführung nennt die Staatsanwältin massive Geldprobleme vor allem von Markus Beisser. Er sei durch den Kauf eines Hauses Zahlungsverpflichtungen von mehr als einer halben Million Euro eingegangen, die er nicht einmal ansatzweise bedienen konnte.

Die Entführung sei, so lautet die Anklage, zwar von langer Hand geplant, aber äußerst dilettantisch ausgeführt worden. Beisser habe sein Opfer zunächst im Internet ausgespäht und sich mit den täglichen Gewohnheiten vertraut gemacht. Er habe schon Monate vorher Kabelbinder besorgt und bei einer Internet-Apotheke Äther bestellt, um das Mädchen zu betäuben. Aber dann hätten die Entführer weder Masken noch Handschuhe getragen, und hatten offenbar auch keinerlei realistische Vorstellung, wie das Lösegeld übergeben werden sollte.

Er habe mit der Tötung nichts zu tun, erklärt einer der Angeklagten. Der andere schweigt

Bei einem zweiten Telefonkontakt am Tag nach der Entführung forderte der Anrufer, das Geld solle auf ein ausländisches Konto - maltesisch oder malayisch, das war schlecht zu verstehen - überwiesen werden, nannte aber weder einen Empfänger noch eine Kontonummer, und wusste auch nicht, dass Beträge in dieser Höhe nicht im Onlinebanking verschickt werden können. Als Klein ihn darauf angesprochen habe, dass er nicht maskiert sei, habe Beisser geantwortet: "Ja, da hab' ich einen Fehler gemacht." Als Reaktion darauf habe Beisser den Entschluss gefasst, Anneli zu töten. Nachdem die beiden das Mädchen in die Scheune des Bauernhofs gebracht hatten, auf dem Beisser mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Söhnen noch bis vor Kurzem gelebt hatte, habe er die ganze Nacht im Internet nach verschiedenen Tötungsarten recherchiert.

Markus Beisser, ein unscheinbarer Mann mit kleinem Kinn und flachem Hinterkopf, hat bisher keinerlei Aussage gemacht und will auch im Prozess weiter schweigen. Für Norbert Klein verliest sein Verteidiger eine Erklärung, die vom Anklagevorwurf erheblich abweicht: Der Angeklagte räume ein, durch das Fahren des Entführungsfahrzeugs Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub geleistet zu haben. In den Entführungsplan aber sei er nicht eingeweiht gewesen, es sei kein finanzieller Vorteil für ihn verabredet gewesen, mit der Tötung Annelis habe er nichts zu tun, und er habe auch keinen Anlass gehabt zu vermuten, "dass so etwas geschieht".

Uwe Riße setzte inzwischen alle Hebel in Bewegung, um das geforderte Lösegeld aufzutreiben. Schließlich lag das Geld bereit, aber es gab kein Szenario für die Übergabe. "Dann sind wir mit dem Geld nach Hause gefahren", sagt der Vater Annelis, "und haben den Samstag und den Sonntag mit Warten verbracht. Unerträglichem Warten."

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