Dreharbeiten zu Oliver Stones "Savages":Zwischen Himmel und verbrannter Erde

Auf einer Ranch in der Wüste vor Los Angeles verfilmt Oliver Stone den Drogenkrimi "Savages". Der Regisseur hat Geburtstag, doch bevor eine kleine Frau aus der riesigen Torte springen darf, müssen John Travolta und Benicio del Toro noch ein paar Mal in ein Sandwich beißen. Szenen eines Drehs im Nichts.

Cornelius Pollmer

Zwischen Himmel und verbrannter Erde hängt nur etwas Staub in der Luft, es ist das Nichts hier, gewesene Landschaft, no country for no man. In diesem Nichts aber steht eine Ranch, und davor eine mannshohe Plastiktorte, aus der gleich eine kleine Frau springen wird, um dem Weltregisseur Oliver Stone zum Geburtstag zu gratulieren.

U.S. filmmaker Oliver Stone attends a news conference about his film 'South of the Border' in Quito

Oliver Stone hat Geburtstag. Aber er will nicht Geburtstag haben. 

(Foto: REUTERS)

Wenn nichts los ist, kommt es darauf an, was man draus macht. Das Nichts liegt in diesem Fall 40 Meilen nordwestlich von Los Angeles und daraus wollen Oliver Stone und eine Crew von 130 Menschen einen Film machen, zumindest einen Teil davon. Don Winslows Drogenkrimi "Savages" hat sich hervorragend verkauft und für seine Verfilmung (Bundesstart: 11. Oktober) sieht es ähnlich gut aus. Das Filmplakat zu "Savages" ist in feine Bildstreifen geschnitten worden, um alle mitwirkenden Größen darauf unterzubringen, einen pro Buchstabe. Hinter dem A liegt Blake Lively, neben dem E neigt Salma Hayek ihren Kopf. An diesem sehr heißen Nachmittag auf der Ranch Alamode in Canyon Country im September 2011 rasseln das zweite S und das V aneinander, John Travolta (bisschen böse) Benicio del Toro (ziemlich böse).

Travolta kriegt zwölf Happen, del Toro fünf

Del Toro spielt einen hundeschnäuzigen Kartell-Typen, Travolta einen korrupten Drogenfahnder. In Szene 144D wollen sie herausfinden, wer von beiden das längere Buschmesser hat, zumindest wird das im Film so aussehen. Am Set sieht man vor allem zwei Übergrößen Hollywoods, die zu Beginn eines jeden Takes in ein zwar immer wieder neues, aber auch immer wieder ziemlich trockenes Sandwich beißen müssen. Am Ende wird John Travolta zwölf Happen bekommen haben, del Toro immerhin noch fünf.

Wo so gerungen wird, da soll man sich jetzt niederlassen, in einem Nebenraum. Zwischen den Takes kommt Travolta ab und an rüber, hallo, wie geht's, woher kommst du? Ohhh, Germany, München, ja ja, Oktoberfest, wunderbar! Vollprofi. Hat natürlich die paar Wörter drauf, mit denen man bei "Wetten, dass..?" auf der Couch Eindruck machen kann. Zuletzt sei er nach Berlin geflogen, Tegel, natürlich selbst, Travolta ist Pilot und auch der Flug war natürlich wieder: wunderbar.

Jetzt würde man gerne langsam zu ein paar wirklichen Fragen übergehen, aber als man sich eine Sekunde zu lang fragt, wo dieses gebirgsseetiefe Blau in den Augen Travoltas herkommt, schnellt Natalia dazwischen, die für ein russisches Online-Portal schreibt. "John, wir haben uns schon mal getroffen, mir ging es nicht gut, aber du hast mir auf die Schulter gefasst, und mein Körper hat sich auf einmal so warm angefühlt, wie machst du das?" - billiger Trick, funktioniert trotzdem: Travolta legt also seine Hand auf Natalias Schulter, lasert mit seinen Augen die ihren, dann sagt er mit einer Stimme so weich wie sein Flanellhemd: "Ich habe von klein auf diese Fähigkeit: Ich sehe es Menschen an, wenn es ihnen nicht gut geht."

"Es fühlt sich an wie 'Pulp Fiction', nur eben heute."

Man würde jetzt trotzdem also gerne noch eine Frage stellen, aber, "Verzeihung!", John Travolta muss noch mal kurz nach nebenan, mit Herrn del Toro ein Sandwich essen. Natalia ist es offenbar schon wieder recht warm in ihrem Körper, und so füllt sie die Pause zwischen den nächsten beiden Takes mit ein paar Fan-Fragen. Was denkst du über den Autor Don Winslow? "Sein Schreiben fühlt sich ehrlich und echt an, und ich kann der Handlung folgen. Ich mag das." Wie ist das so, mit Benicio del Toro zusammenzuarbeiten? "Er ist phantastisch, ein wahrer Schauspieler, ich liebe ihn." Und das Skript, magst du es? "Ich liebe es. Es fühlt sich an wie 'Pulp Fiction', nur eben heute. Savages ist so relevant für diese Zeit, und gleichzeitig hat es die Hipness von 'Pulp Fiction'." Jetzt aber muss er, "Verzeihung!", schnell weg, wir sehen uns gleich noch, ja?

Das "gleich" hat etwas mit Oliver Stone zu tun, den hier alle natürlich nur "Oliver" nennen wie ein gewisser Jeff, der bemüht beiläufig behauptet, er würde "seit zehn Jahren mit Oliver" zusammenarbeiten. Als Stone ein bisschen später aus der Sandwichküche kommt und Jeff ihn begrüßt, fragt Stone zurück: "Wer bist du?"

Oliver Stone möchte nicht Geburtstag haben

Das muss nicht heißen, dass Jeff ein Wichtigtuer und Adabei ist, wahrscheinlich ist er nur das erste Bauernopfer eines spannungsreichen Gegensatzes: Oliver Stone hat Geburtstag - aber Oliver Stone möchte nicht Geburtstag haben.

Stone trägt ein gelbes Shirt, es steckt unentschlossen an ein paar Stellen in seinen Jeans. Schuhe: New Balance, Stimmung: unbalanced, wie Depardieu mit Rotweinkater. Man gibt ihm trotzdem die Hand, alles Gute, Herr Stone! "Ihnen auch alles Gute zum Geburtstag", sagt er und das ist jetzt der verbale Spiegel, dem er jeden Gratulanten vorhält. Es ist der 50. Drehtag, sieben noch bis zum Schluss, und da geht einem sicher die Lust ein bisschen verloren, selbst bei einem so ordentlich ausgestattetem Projekt wie "Savages".

Musik an, Ständchen, die Torte geht auf

Nur eine Szene wurde im Studio gedreht, im Wesentlichen diente Kalifornien als riesige Kulisse: Malibu, das Farralone House, in dem Sinatra mal wohnte, oder eben die Alamode Ranch. Nur von Los Angeles wird man nicht viel wiedererkennen, denn "L.A. wird seit 80 Jahren abgefilmt", sagt Moritz Borman, einer der Produzenten von "Savages". Für Kalifornien als Ganzes gilt das mit Einschränkungen auch noch, und Borman ist deswegen stolz, "dass wir sogar eine Jungfrau gefunden haben". Es gebe noch einmal 40 Meilen weiter einen Damm, der angeblich noch nie in einem Film zu sehen gewesen sei.

Das ist freilich teurer als im Studio, aber es sei notwendig, sagt Oliver Stone, "für dieses reale Gefühl, das meine Filme oft haben". Und darauf haben Sie auch immer noch Lust, auf solche Orte wie hier im Nichts? "Ich liebe es. Man will doch in diese Situationen kommen, in denen man nicht weiß, wie es weitergeht."

Kann er haben. Vor der Veranda haben sich 40 Menschen aufgebaut, in ihrer Mitte die Plastiktorte, darin die kleine Frau. Auf einem Tisch neben ihnen stehen ein Schokoladenkuchen und puppenstubengroße Gläser mit Champagner. Oliver Stone kommt aus der Ranch heraus, Musik an, Ständchen, die Torte geht auf. Stone lächelt, wohl nun doch mehr aus Freude denn aus Schmerz, dann steht man kurz beieinander und alles verläuft sich wieder, auch der Schokoladenkuchen, man ist dem Nichts schon wieder ganz nah.

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