DNS-Fahndung:Die große Unbekannte

Drei Länder, 25 Tatorte, darunter der des Polizistenmordes von Heilbronn: Seit 15 Jahren finden Kriminalermittler immer wieder Spuren einer Frau. Einer Frau? Noch nicht einmal das ist sicher.

Bernd Dörries

Es gibt die Sonderkommission Zelle, die Sokos St. Georgen, Parkplatz, Georgier, Schlinge. Und eine Soko aus Österreich, die aber keinen Namen hat. Seit 15 Jahren suchen Ermittler aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Frankreich und Österreich nach einer Frau. Das ist alles, was sie über die Gesuchte wissen: dass sie weiblich ist.

DNA; dpa

Ermittlungen im Labor: Kriminologen verlassen sich heute kaum noch auf Fingerabdrücke

(Foto: Foto: dpa)

Aber auch das war nicht immer klar, die Freiburger Soko St. Georgen überlegte, ob es sich nicht um eine Transsexuelle handeln könnte. Und die Heilbronner Soko Parkplatz warnt, es sei vielleicht eine Frau, die wie ein Mann aussieht. Eigentlich weiß man also nur, dass die DNS weiblich ist.

Es sind ein paar Zahlen, ein genetischer Code, zu dem ein Gesicht fehlt. An 25 Tatorten wurden in 15 Jahren Hautpartikel, Blut oder Speichelreste der Unbekannten gefunden, darunter vier Mordfälle mit sechs Toten.

Normalerweise macht so eine Spurenlage die Sache einfacher. In diesem Fall, sagt ein Ermittler aus Freiburg, sei es immer schwieriger, sich ein Bild zu machen, ein Profil der Gesuchten zu entwickeln. Die Frage ist, wie das zusammenpasst: eine gestohlene Gitarre und ein Polizistenmord? Ein angebissener Keks in einer Gartenhütte und drei tote Georgier? "Das sprengt alles Dagewesene", sagt Peter Lechner von der Heilbronner Polizei.

So viele Spuren in so verschiedenen Fällen. Mancher Ermittler hat sich auch schon überlegt, ob da nicht irgendjemand versucht, die Polizei in die Irre zu führen. Auch das sei eine Arbeitshypothese, sagt ein Ermittler aus Rheinland-Pfalz. "Sie steht aber sicherlich nicht ganz oben auf der Liste."

In Heilbronn ermittelt die Sonderkommission Parkplatz, weil zwei Polizisten am 25. April 2007 von hinten in den Kopf geschossen wurde, während sie in ihrem Dienstwagen auf einem Parkplatz standen. Michele Kiesewetter starb sofort, ihr Kollege überlebte. Monate später fanden die Ermittler die DNS einer Frau an dem Wagen.

Als sie in Datenbanken eingegeben wurden, spuckte der Computer eine ganze Reihe von Verbrechen aus, bei denen die Spuren der Frau auftauchten: Ein Mord in Idar-Oberstein 1993 und einer in Freiburg 2001. Dazu ein Dutzend Einbrüche in Österreich, meist in Gartenhäusern entlang der Inntalautobahn, bei einem kam auch die Gitarre abhanden. Ein rätselhafter Fall, der seinesgleichen suchte. Und es gewisserweise auch fand.

Am Donnerstag teilte die Staatsanwaltschaft Frankenthal mit, dass die DNS erneut gefunden wurde. In einem Fall, der ziemlich seltsam ist. Am 27. Februar wurden im Altrhein bei Mannheim die Leichen von drei Georgiern gefunden, die nach Deutschland gekommen waren, um Gebrauchtwagen zu kaufen. Sie hatten viel Geld dabei.

Die Polizei geht von einem Raubmord aus und hat zwei Verdächtige in Haft genommen. Einer von ihnen war ein V-Mann des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz. Er erzählt eine abenteuerliche Geschichte, die letztlich darauf hinausläuft, dass die drei Georgier sterben mussten, weil sie Christen waren. Der andere Festgenommene stammt aus Somalia, ein Islamist, der auch Kontakte zu der im Sauerland festgenommenen Terrorgruppe gehabt haben soll.

"Fast unmöglich, keine Spuren zu hinterlassen"

Wie passt das nun alles zusammen? Vor allem mit der so häufig auftauchenden Spur der Frau? Werner Pflug hat 1989 das erste DNS-Gutachten in Deutschland angefertigt. Damals, sagt der Leiter der Abteilung DNS-Analyse beim LKA Baden-Württemberg, habe man einen Tropfen Blut in der Größe eines Fünf-Pfennig-Stücks gebraucht, um genügend Zellen zu gewinnen, etwa 100.000. Heute reicht theoretisch schon eine, die man aus einer winzigen Hautschuppe entnehmen kann. "Es ist mittlerweile fast unmöglich, keine Spuren zu hinterlassen", sagt Pflug.

Es wird aber auch für die Ermittler immer schwieriger, tatrelevante Spuren von anderen zu unterscheiden. Es gebe keine Methode, um herauszufinden, wann eine Spur abgelegt wurde, sagt Pflug. Man kann also nicht mit Sicherheit sagen, ob die DNS bereits in dem Ford Kombi war, als ihn das LKA im Jahr 2007 kaufte und dem V-Mann zur Verfügung stellte. Die Sonderkommission Zelle überprüft nun die Vorbesitzer und auch die Daten des GPS-Geräts, das im Auto installiert war. Baden-Württembergs Polizeipräsident Erwin Hetger sagt: "Der Kreis wird immer enger."

Das hatte man schon öfters gedacht. Es wurden Verdächtige festgenommen, die die Frau eigentlich gesehen haben müssten, aber von nichts wussten. Einmal zogen Ermittler nach einem Mordversuch in Worms ein Projektil aus der Wand, an dem sich ebenfalls die DNS der Frau befand. Der Täter behauptete, die Waffe von seinem verstorbenen Vater bekommen zu haben.

Alles sehr rätselhaft. Die Frau kann die Waffe in der Hand gehalten haben. Die Kugel können theoretisch auch auf einem Tisch gelegen haben, den die Frau einmal berührt hat. Wie es nun tatsächlich war - an den Zahlenreihen der DNS ist das nicht abzulesen.

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