Die Queen in Berlin:Enzianblau und königliche Milde

Elizabeth II. sendet mit ihrer Handtasche Signale. Eins heißt: Zeit zu gehen. Aber auf der Museumsinsel haben ihre Höflinge vergeblich auf dieses Zeichen gewartet.

Von Constanze von Bullion

Berlin - Die britische Königin, das ist eine ewige Wahrheit, verlässt das Haus niemals ohne Handtasche. Immer hängt ein flottes Täschchen an ihrem linken Arm, und wenn es mal auf die königliche Rechte hinüberwandert, dann werden die Protokollarbeamten unruhig. Zeit zu gehen, heißt diese Signal.

Die Queen in Berlin: Statt mit der Limousine fuhr die Queen mit der S-Bahn nach Potsdam. Aber natürlich nicht mit einer gewöhnlichen. Neben ihr genießt der britische Botschafter in Deutschland, Sir Peter Torr, Ausblick, Gesellschaft und Verkostung.

Statt mit der Limousine fuhr die Queen mit der S-Bahn nach Potsdam. Aber natürlich nicht mit einer gewöhnlichen. Neben ihr genießt der britische Botschafter in Deutschland, Sir Peter Torr, Ausblick, Gesellschaft und Verkostung.

(Foto: Foto: AP)

Doch als die Queen an ihrem zweiten Besuchstag in Berlin im Neuen Museum steht, in enzianblauem Mantel und mit einem rasanten Gebilde auf dem Kopf, als sie die abgeplatzten Fresken begutachtet, die zersplitterten Kacheln und den Putz, auf dem der Schimmel wuchert, da warten ihre Höflinge vergeblich auf das Zeichen.

Elisabeth II. nimmt sich Zeit, fragt nach, beugt sich interessiert über ein Modell der Berliner Museumsinsel, auf deren morschen Fundamenten der britische Architekt David Chipperfield das Neue Museum auf- und umbaut.

Der Prachtbau aus der Kaiserzeit wurde im Krieg zerbombt, ist dann gründlich vergammelt und gehört zu den spektakulärsten Ruinen der Stadt. 2009 soll hier die Ägyptische Sammlung einziehen, erklärt der Architekt, und die Königin nickt.

Es ist leider nicht bekannt, was der Regierende Bürgermeister von Berlin in diesem Augenblick sagt, aber dass die Queen loskichert wie ein kleines Mädchen, dass sie ein bisschen überrascht zu ihm hinaufblinzelt und dann nochmal lachen muss, das sehen auch die, die etwas weiter weg stehen. Majestät hat gute Laune - was ein kleines Wunder ist, angesichts des Klimawechsels, dem die Monarchin in Berlin ausgesetzt ist.

Die Queen liebt die milde Inselluft, und weil es auf ihren vielen Reisen mal brütend heiß wird und mal eiskalt, hat sie sich in ihren braunen Bentley eine der teuersten Klimaanlagen der Welt einbauen lassen.

Sicherheitshalber hat man für die Berlinvisite nicht nur eine Regenjacke im Wagen deponiert, sondern auch diese rostrote Kunstoffreisetasche, die ein wenig an die untergegangene DDR erinnert. Und eine dicke Wolldecke, die sie allerdings zurücklassen muss, als sie am Dienstagabend vor dem Zeughaus Unter den Linden aussteigt und zum Staatsbankett schreitet.

Enzianblau und königliche Milde

Unter den Arkaden des historischen Schlüterhofes herrschen sibirische Temperaturen. Bald schlottern die Damen in den schulterfreien Kleidern, auch den Herren wird kalt bis unter den Smoking. Die Königin, die zum glitzernden Diadem und dem juwelenschweren Collier ein lila Kleid aus zartem Tuch trägt, lässt sich selbstverständlich nicht anmerken, dass offenbar die Heizung versagt.

250 Gäste reihen sich dann vor ihr auf, Alt-Bundespräsident Roman Herzog macht seinen Diener und Alt-Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Caroline von Monaco verzichtet auf den Hofknicks, auch Joschka Fischer belässt es beim knappen Nicken. Dafür sinkt manche Journalistin umso demütiger in die Knie.

Nun geht man zu einem solcher Dinner natürlich nicht nur, um sich satt zu essen, sondern auch, um erhellende Worte zu hören. Bundespräsident Horst Köhler darf als erster reden - und verschweigt bei aller Höflichkeit nicht, dass es besser stehen könnte um die Liebe der Briten zu Europa.

"Noch haben wir keine Klarheit darüber gewonnen, was Europa sein will und wo es hin will", sagt er. "Offenbar sind wir selbst noch nicht so weit, die Frage nach der europäischen Identität zu beantworten." Höchste Zeit sei es deshalb, eine "offene und kraftvolle Debatte" zu führen, in der konstruktive der Beiträge "gerade auch aus Großbritannien" erwünscht seien.

Die Queen versteht. Und antwortet mit der Milde einer alten Dame, die der anti-deutschen Ressentiments ihrer Landsleute müde geworden ist. Wer aus dem "entsetzlichen Leiden des Krieges auf beiden Seiten" gelernt habe und den Frieden in Europa erhalten wolle, sei aufgerufen, sagt sie, "aus der Vergangenheit zu lernen und sich nicht von ihr beherrschen zu lassen".

Und "über allzu vereinfachende stereotype Vorstellungen hinauszublicken und zu erkennen, wie oft wir doch die gleichen Anschauungen haben". Eine Entschuldigung für den Bombenkrieg, wie sie die britische Yellowpress herbeigeschrieben hat, ist das natürlich nicht. Aber eine klare Absage an die Ewiggestrigen auf der Insel.

Es wird nicht die letzte Berliner Tischrede der Königin sein. Am Mittwochmittag bricht die Queen nach Potsdam auf, auf eigenen Wunsch im Panoramazug der S-Bahn. Da sitzt sie dann hinter großen Scheiben und guckt neugierig in Berliner Hinterhöfe und Garagen. Ein paar vermüllte Grundstücke rauschen vorbei und morsche Bahnhöfe aus Kaisers Zeiten.

Und schon gibt es wieder Blumen und singende Kinder auf dem Bahnsteig. Willkommen in Brandenburg, Ministerpräsident Matthias Platzeck ist gekommen, der sich auch für die Königin nicht richtig rasiert und sie erstmal durch eine Einkaufspassage führt.

Wenig später steht die Queen dann in Schloss Cecilienhof, eine kleine Person vor einem großen, runden Tisch, an dem Winston Churchill, Harry Truman und Josef Stalin 1945 die europäische Nachkriegsordnung ausgehandelt haben. Der Entourage knurrt der Magen, aber vor dem Rehrücken mit Rosenkohl lobt die Königin noch die Anstrengungen der Wiedervereinigung. "Unsere beiden Länder stehen vor der Notwendigkeit, den Prozess der Wirtschaftsreform fortzuführen", sagt sie. Einfach sei so etwas nie.

Elisabeth II. ist blass und etwas ermattet, als sie am Abend zurückkehrt vom Krongut ihrer Vorfahren und vom britischen Soldatenfriedhof. Ein Konzert für die Dresdener Frauenkirche muss sie jetzt noch überstehen. Dann wartet schon der Flieger nach Düsseldorf.

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