Die Glücksministerin:Beseelt durch Bärchen

Gina Schöler

Gina Schöler nennt sich selbst eine "Glücksministerin". In ihren Vorträgen über das große Gefühl muss sie oft mit greifbaren Argumenten überzeugen.

(Foto: Privat)

Gina Schöler hält als selbst-ernannte "Glücksministerin" Vorträge über das große Gefühl. Manchmal muss sie ihr Publikum aber mit greifbaren Argumenten überzeugen - so wie neulich die Gruppe aus Thailand.

Von Johannes Böhme

Das Problem mit dem Glück ist, dass niemand wirklich weiß, was es ist. Für Aristoteles war es die Politik, für Tolstoi lag es darin, geliebt zu werden und Harald Juhnke war nach eigener Aussage dann am glücklichsten, wenn er nichts zu tun und leicht einen sitzen hatte. Jetzt steht Gina Schöler, 29 Jahre alte Kommunikationsdesignerin und selbsternannte "Glücksministerin", vor 52 Thailändern in einem Saal im barocken Schloss der Universität Mannheim und soll es ihren Gästen erklären: Was ist das Glück?

Schöler ist eine kleine Frau mit Pagenkopf, die dafür, dass sie eine konsumkritische Öffentlichkeitskampagne betreibt, ziemlich brav aussieht. Unter dem Titel "Ministerium für Glück und Wohlbefinden" leitet sie eine Initiative, welche die Deutschen dazu bewegen will, wieder mehr darüber nachzudenken, was sie glücklich macht, und vielleicht etwas weniger konsumgeil zu sein. Das falsche Ministerium hat vor zwei Jahren als Studentenprojekt angefangen, dann schrieben mehrere Zeitungen darüber - und auf einmal konnte Schöler von ihren Vorträgen über das Glück leben, auch wegen Besuchen wie jenem aus Thailand.

Die Männer und Frauen, die nun vor Schöler sitzen, sind leitende Angestellte und Berater des "Crown Property Bureau" - eines staatlichen Fonds, dem auch das Hotel Vier Jahreszeiten in München gehört. Menschen, die Konsum und Wirtschaftswachstum für relativ unproblematisch halten. Fast alle tragen Anzug, auch die Frauen. Sie sitzen in sieben langen Reihen, wie zu groß geratene Internatsschüler. Die Thailänder sind voller Bewunderung für den deutschen Wohlstand, das deutsche Sozialsystem, so haben sie es Gina Schöler geschrieben. Sie halten die Deutschen allein deswegen schon für glücklich.

Dass Schöler und ihr Publikum sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Glück haben, wird spätestens klar, als ein kleiner älterer Thailänder in einem zu großen Anzug nachfragt, wie man das Glück denn nun nutzen könne, um die Wirtschaftsleistung zu steigern. Da weiß Gina Schöler kurz nicht, was sie sagen soll, weil das doch genau ihr Punkt ist: Wir scheren uns zu viel ums Wirtschaftswachstum und zu wenig ums Glück. Da ist es wieder, das Grundproblem, dass alle etwas anderes unter dem Glück verstehen.

Gegen Ende des Vortrags kommen sich Schöler und ihr Publikum dann aber doch näher: In einer "Erste-Hilfe-Box" fürs Glück, die Schöler rumreicht, entdecken die Thailänder eine große Tüte Gummibärchen. Kurz entschlossen reißen sie sie auf. Alles Gerede ist jetzt Nebensache. Glückliches Schmatzen allenthalben.

Das Fazit? Vielleicht lautet es so: Niemand besitzt das Glück, alle suchen es - und wenn man es findet, dann nicht in großen Reden, sondern in einer Tüte Gummibärchen.

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