Die globalen Geschäfte der Kartelle:Weltweiter Aufschwung

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Die Staaten und ihre Polizei- und Justizbehörden wollen sich besser vernetzen, um die organisierten Kriminalität besser bekämpfen zu können. Die Mafiosi sind da schon weiter.

Stefan Ulrich

Alle reden von Globalisierung, die italienische Mafia vollzieht sie. Nach Einschätzung der europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag verfolgen die Verbrechersyndikate ähnliche transnationale Strategien wie die legale Geschäftswelt. "Die italienischen mafiösen Gruppierungen verbinden sich international und breiten sich auch international aus'', sagte Europol-Chef Max-Peter Ratzel. "Sie globalisieren, sie diversifizieren, sie schließen Allianzen."

Ein Beispiel sei das Kokaingeschäft. Das Rauschgift werde in Kolumbien produziert, von der kalabrischen 'Ndrangheta nach Europa importiert und dann von albanischen Dealern verteilt.

Früher hätten Verbrechergruppen gerne alles selbst kontrolliert. Heute konzentriere sich jeder auf das, was er am besten könne. "Berührungsfreie Zusammenarbeit", nennt das Ratzel.

Dabei seien die Italiener europaweit zwar nicht dominant, aber doch gut verflochten. So agiere die 'Ndrangheta außer in Deutschland auch in den Niederlanden, in Belgien, Frankreich, Spanien, Osteuropa und der Schweiz, aber auch im Nahen Osten.

Im Normalfall versuche sie dabei, auf spektakuläre Bluttaten wie in Duisburg zu verzichten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, sagte der Europol-Chef.

Angefangen hat die 'Ndrangheta, die hinter den Morden von Duisburg stehen soll, einst als lokale Hirten- und Bauernmafia. Später spezialisierte sie sich auf Entführungen. Die erpressten Millionen steckte sie ins Rauschgift-Geschäft. Italienischen Ermittlern zufolge hat die 'Ndrangheta beim Drogenhandel inzwischen klar die sizilianische Cosa Nostra abgehängt.

Dabei kommen den Verbrechern aus Kalabrien drei Punkte zu gute: Erstens sind sie dezentral als Föderation von Familien organisiert, flexibel und von der Polizei schwer zu durchdringen. Zweitens führt die Familien-Struktur zu einer großen Verschwiegenheit der 'Ndrangheta. Südamerikanische Kartelle machen ihre Geschäfte daher lieber mit den Kalabresen als mit den Mafiosi Siziliens. Drittens verfügt die 'Ndrangheta wegen der starken Auswanderung aus Kalabrien über Stützpunkte auf der ganzen Welt von Kanada bis nach Australien.

Kooperation ist viel lukrativer

Doch auch die anderen italienischen Verbrecher-Syndikate blicken längst über den nationalen Tellerrand hinaus. So investiert die Cosa Nostra ihr Geld wie eine multinationale Holding auf der ganzen Welt, zum Beispiel in französische Immobilien.

Die neapolitanische Camorra hat sich auf den Müll-Handel spezialisiert. Sie importiert Giftmüll aus dem Ausland nach Süditalien, um ihn dort zu "entsorgen". Auch im Geschäft mit Marken-Kopien, etwa bei Kleidern, mischt die Camorra mit. Während sie anfangs versuchte, nach Italien drängende chinesische Banden abzuwehren, hat sie nun erkannt: Kooperation ist viel lukrativer.

Doch was haben die Staaten und ihre Polizei- und Justizbehörden dem entgegenzuhalten? Einiges, meint Europol-Chef Ratzel. So nehme der Datenaustausch immer mehr zu. "Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit wächst von Jahr zu Jahr." Allerdings gelte es, die Strafverfolger "stärker zu vernetztem Denken zu erziehen". Die Mafiosi sind da manchmal schon weiter.

© SZ vom 17.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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