Deutschland 2006:Der Krisenstab der guten Laune

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Im Hamburger Club der Optimisten versammeln sich erfolgreiche Menschen, um sich gegenseitig Mut zu machen.

Ralf Wiegand

Sollte jemand die Dinge immer noch nicht positiv sehen, dann wird es jetzt aber langsam Zeit. 2006 hat bereits begonnen, das Jahr des Aufschwungs, des zügellos wachsenden Konsums, der Fußball-Weltmeisterschaft.

Drei Mitglieder im "Club der Optimisten": Dana Schweiger... (Foto: Foto: ddp)

Der Arbeitsmarkt wird sich erholen, Klinsmanns Elf im Endspiel Brasilien mit 3:2 bezwingen und der Sommer heiß und trocken, sogar an der Nordsee. Aber selbst wer an all das wirklich glaubt - für den "Club der Optimisten" hat er sich damit noch lange nicht qualifiziert.

Diesen Club gibt es tatsächlich; seit zwei Monaten residiert der eingetragene Verein in Hamburg direkt an der Alster unter der gleichen Adresse wie die Werbeagentur Economia.

Deren Gründer Klaus Utermöhle ist Vorsitzender des Clubs, der 100 Euro Jahresbeitrag verlangt und zum Beispiel "Untersuchungen über Auswirkungen von positiverem Denken" untersucht. Gibt es also nun Zuversicht per Mitgliedschaft? Wenn es bloß mal so einfach wäre.

Nur für "Leute, die Einfluss haben"

Wer sich zu den organisierten Optimisten zählen darf und wer nicht, bestimmt zunächst einmal der Erfolg. Mitglied werden können nicht Hinz und Kunz, sondern nur "Leute, die Einfluss haben", sagt Utermöhle, "großen Einfluss und Persönlichkeit". Diese Kombination ist meistens in Geschäftsführungen und Vorstandsetagen zu finden.

Die ersten beiden Treffen des Optimisten-Clubs haben es damit auch aus dem Stand in alle Klatschspalten der Hamburger Zeitungen gebracht, wofür die Gästelisten sorgten: Designerin Jette Joop, Schauspieler-Gattin Dana Schweiger, die Mimin Alexandra Kamp oder EM.TV-Chef Werner E. Klatten versicherten sich bei Häppchen und Cocktails gegenseitig ihrer Zuversicht.

Praktischerweise gehört auch Norbert Körzdörfer, ein Mitglied der Chefredaktion von Bild, zum Optimisten-Vorstand, was eine solide Verankerung auf dem Boulevard garantieren sollte. Nicht einmal die arbeitslosen Mitglieder senken das Niveau.

"Ich könnte ihnen auf Anhieb zwei Mitglieder nennen", sagt Utermöhle zum Beweis für die Alltagstauglichkeit des neuen Vereins, "die in diesem Jahr ihren Job verloren haben. Hochdotierte Geschäftsführer-Posten!" Gerade noch die Welthochburg der Weinerlichen, verwandelt sich Deutschland zusehends in ein Land von Zwangsoptimisten.

Schwindelerregendes Wachstum

Es wird aufwärts gehen, sagt der Bundespräsident, wenn wir nur daran glauben. Konsumforscher prognostizieren ein Ende der Kaufzurückhaltung, Wirtschaftsforscher schwindelerregende 1,7 Prozent Wachstum.

Und alle zusammen fordern ein bisschen mehr Zuversicht: Wir sind schließlich Deutschland! Als wäre nicht Angela Merkel, sondern Nina Ruge die neue Regierungschefin: "Alles wird gut."

Wer im Internet nach Optimismus googelt, findet 2,5 Millionen Treffer; Pessimismus hat nur Platz auf 300.000 Seiten. Anleitungen zum Glücklichsein schaffen es in alle Bestsellerlisten. Dabei haben Optimisten, behauptete der Schriftsteller Peter Bamm, "gar keine Ahnung von den freudigen Überraschungen, die Pessimisten erleben".

Und vermutlich haben die Pessimisten nur deshalb noch keinen Club gegründet, weil sie davon überzeugt sind, dass das ohnehin nichts bringt. Unglücklichsein hat keine Konjunktur.

Manchmal kann man den Optimisten vom Pessimisten gar nicht mehr unterscheiden. So zeigte der vermeintliche Berufsoptimist Guido Westerwelle in einer Art Grußbotschaft an die Hamburger Vereinsoptimisten eine leicht depressive Grundhaltung.

Grußbotschaft von Guido

Der FDP-Vorsitzende wird auf deren Webseite zumindest so zitiert: "Je ernster die Lage ist in Deutschland, desto mehr brauchen wir Optimisten." Die Gründung eines Optimistenclubs entspräche nach dieser Theorie ungefähr der Einrichtung eines Krisenstabs in aussichtsloser Lage.

Für die Mitglieder des Hamburger Optimistenclubs ist Optimismus nur "die Bereitschaft zum Glück", sagt der Vorsitzende Utermöhle. Diese bringen sie alle mit zu den Treffen in der gediegenen Atmosphäre der Hanse Lounge, einem feinen Privatclub, dessen Mitglieder sich sogar ein Humidorfach mieten können.

Die Treffen hätten eher privaten Charakter, sagt Utermöhle, "sie sind sehr unkompliziert, angeregt und heiter". Es werden Reden gehalten, die das Anliegen des Clubs transportieren: optimistische Impulse für die Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft zu setzen und eine zukunftsfreudige Lebenshaltung zu fördern.

"Das Leben ist schön"

Utermöhle: "Das Leben ist schön. Wer das nicht sagen kann, hat ein Basisproblem." Im Frühjahr wird der Club gar einen Preis der Optimisten verleihen, für "eine optimistische Tat in rauer See". Sie sind ganz zuversichtlich, jemanden zu finden, der ihn verdient.

2010 möchte sich der Verein nach Möglichkeit schon wieder auflösen. Ausdruck von Pessimismus sei das aber nicht. "Dann", sagt Utermöhle, "sollte unsere Mission erfüllt sein."

© SZ vom 2.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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