Die soziale Kontrolle durch die Nachbarschaft ist nach Erkenntnissen der Studie "Who kehrs?" ein wesentlicher Erklärfaktor für die Einhaltung der "Großen Kehrwoche" im Schwäbischen. Forscher der Uni Speyer fanden heraus, dass fast jeder Dritte in Stuttgart (30 Prozent) die Kehrwoche einhält - weil die Nachbarschaft sie auch macht. Jeder vierte Befragte gab an, dass in der Nachbarschaft darüber gesprochen werde, ob und wie jemand seine große Kehrwoche - also das Gehsteigfegen und Treppenhausreinigen im wöchentlichen Wechsel unter den Wohnparteien - erfülle. Der Soziologe Daniel Rölle suchte eine Antwort auf die Frage: Warum hat die Kehrwoche in Stuttgart überlebt, obwohl sie für öffentliche Straßen und Gehwege schon im Jahr 1988 abgeschafft wurde? Gut 850 Freiwillige hätten an einer Onlinebefragung teilgenommen, knapp 630 vollständig. Die befragten Stuttgarter stehen der Kehrwoche überwiegend positiv gegenüber: Nur knapp 18 Prozent bewerten sie negativ. 50 Prozent gaben an, sich meistens zu beteiligen.
Deutscher Alltag:Hoch lebe die Kehrwoche!
Die Kehrwoche ist in Schwaben eine ernste Angelegenheit, so ernst, dass Scherze darüber nur schiefgehen können. Vor einigen Jahren setzte die Volkshochschule Calw für den 1. April den Kurs "Die Kehrwoche für Nicht-Schwaben" aufs Programm, die Teilnehmer sollten Kopftuch, Kittelschürze und ein Rundholz für Griffübungen mitbringen. Es gingen mehr als 100 Anmeldungen ein - den Schwaben traut man in Sachen Sauberkeit eben alles zu. Die Kehrwoche passt ja auch allzu gut zum Schwabenklischee: Schaffe, spare, Häusle baue. Und wenn das Häusle gebaut ist, hat die liebe schwäbische Seele keine Ruh, sondern ist auf Sauberkeit bedacht, im Haus und auf dem Trottoir. In Mietshäusern zeigt ein Schild an der Wohnungstür an, wer dran ist mit dem Großputz. Das regelmäßige Reinemachen hat Tradition, 1492 verordnete der Landesherr für Stuttgart: "Damit die Stadt rein erhalten wird, soll jeder seinen Mist alle Wochen hinausführen", präzisiert wurden die Vorgaben in der "Gassensäuberungsverordnung" von 1714. Nach 496 Jahren, am 17. Dezember 1988, wurde die wöchentliche Kehrpflicht in Stuttgart abgeschafft. Aber an dieses Laisser-faire wollen sich viele nicht halten: Bei einer Umfrage der Uni Speyer gab die Hälfte der Befragten an, weiterhin brav zu Besen und Kehrblech zu greifen. Allerdings nicht etwa, weil der Putzfimmel bei Schwaben genetisch veranlagt wäre - sondern weil's der Nachbar auch macht. Nadeschda Scharfenberg
Soziologen der Uni Speyer untersuchen, warum das Phänomen beispielsweise in Stuttgart noch immer existiert.
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