Deutsche Wörter im Ausland:Die Fremdgeher

Kaffepaussi, buterbrod, besservisseri: Der Deutsche Sprachrat hat im Ausland nach deutschen Wörtern gefahndet - und wurde fündig.

Hermann Unterstöger

,,Was wäre die Adventszeit ohne Adventskalender?'', fragte das Goethe-Institut und stellte einen solchen ins Internet. Da die Goethe-Leute zusammen mit der Gesellschaft für deutsche Sprache und dem dito Institut - zu dritt bilden sie den Deutschen Sprachrat - das ganze Jahr nach ausgewanderten Wörtern gefahndet hatten, lag es nahe, den Kalender mit den Ergebnissen dieser Suche zu bestreiten, also hinter jedes Türl so ein Wort zu stellen und kurz zu erklären, wie es ihm in der Fremde ergangen ist.

Scheibenwischer

Scheibenwischer heißt auf Hebräisch: Wischer.

(Foto: Foto: dpa)

Der Kalender ist mittlerweile geschlossen, doch haben viele Sprachfreunde auf dem Gabentisch sicher das aus der Aktion resultierende Buch vorgefunden und konnten zwischen den Jahren nachlesen, zu welchem Rang es ,,Weltanschauung'', ,,Leitmotiv'' oder ,,Brandmauer'' in anderen Hochsprachen brachten.

Nun ist es ja keineswegs so, als hätte der Sprachrat mit seiner Sammlung eine neue linguistische Disziplin ins Leben gerufen. Dass deutsche Wörter von Auswanderern, Kaufleuten, Exilanten oder sonst wie Reisenden in alle Welt getragen und den Sprachen der Gastländer gewissermaßen implantiert wurden, weiß man seit jeher.

Die Sprachwissenschaft stellt dafür den Terminus ,,Peregrinismus'' zur Verfügung, doch auch unter dem Stichwort ,,Entlehnung'' kann man die Wege nachgehen, die von den Wanderwörtern in das diffus schimmernde Grenzland zwischen den Sprachen getreten wurden.

Deutsch als Fremdsprache hat eine große Karriere hinter sich, was man den vielen Wörtern ablauschen kann, die beispielsweise das Russische aus dem Deutschen entlehnt hat, bis hin zur traulichen ,,Schlafmütze'' (,,šlafmits'').

Die immerhin mögliche Angst, in dem Wanderwörterbuch stecke ein spröder linguistischer Traktat, ist unbegründet. Ähnlich wie beim ,,schönsten deutschen Wort'', dem der Sprachrat vor zwei Jahren auf der Spur war, geht es auch bei der Suche nach den ausgewanderten Wörtern nicht um eine wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme.

Ziel der Aktion war es vielmehr, durch die Sprachgemeinschaft selbst einen möglichst vielfältigen, in den Einzelheiten aber höchstpersönlich gefärbten Thesaurus anlegen zu lassen. Damals bei den schönsten Wörtern obsiegten die ,,Habseligkeiten'', was unter Sprachkritikern zu heftigen etymologischen Scharmützeln führte - in der Sache nicht unberechtigt, aber bei der Subjektivität der eingereichten Vorschläge natürlich völlig müßig.

Auch jetzt gab es eine Art Schönheitswettbewerb. Zum Sieger wurde die ,,Kaffepaussi'' ernannt, ein ohne weiteres verständliches Wort, das Susanne Bätjer aus Glückstadt im finnischen Turku entdeckt hatte, und zwar auf einem Linienbus an der Stelle, wo sonst das Fahrtziel zu lesen ist; dass sie die Situation sofort fotografierte, um nicht am Ende der Flunkerei verdächtigt zu werden, versteht sich. Der Busfahrer scheint übrigens germanophiler als der Durchschnitt zu sein, denn normalerweise sagt man in Finnland ,,Kahvipaussi'', wenn man eine Kaffeepause einlegt.

Blättert man in dem Buch, ergeht es einem wie beim Lesen jener beliebten Serien, in denen Lokalblätter in der Sauregurkenzeit an Auswanderer aus ihrer Stadt erinnern - ,,Dingskirchner in aller Welt'' oder so. Sieh einer an, den gibt's also auch noch, denkt man sich, und genauso freudig erstaunt begrüßt man hier die ausgewanderten Wörter: Den ,,Koffer'', der im Bulgarischen als ,,Kufar'' herumsteht; die ,,Realpolitik'', die im Italienischen als Synonym für sinnvolle Politik gebraucht wird; der von ,,Wie geht's?'' abstammende ,,vigéc'', mit dem man auf Ungarisch einen Hausierer bezeichnet; die ,,Angst'', die der Engländer auch für seine Angst passend findet; die ,,brandmauer'', die im Russischen für das steht, was auf Deutsch mit ,,Firewall'' ausgedrückt wird; und natürlich das belegte Brot, das auf Russisch ,,buterbrod'' heißt, obwohl alles andere drauf ist, nur keine Butter.

Am Ende der Lektüre weiß man manches besser, ohne deswegen gleich zu dem geworden zu sein, was die Finnen mit ,,besservisseri'' meinen.

(SZ vom 8.1.2007)

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