Der Fall Hatun Sürücü:Mord und Sühne

Der Mord an der Berlinerin Hatun Sürücü wird neu verhandelt. Das ist erfreulich, denn die Botschaft lautet: Was sich in den autoritärsten Ecken der Zuwanderungsgesellschaft abspielt, wird schärfer denn je beobachtet und verfolgt.

Constanze von Bullion

Die Ermordung der Berlinerin Hatun Sürücü war ein Verbrechen, das nicht nur in Deutschland Entsetzen hervorgerufen hat. Mitten in Deutschland wurde eine junge Frau getötet, die sich den Gesetzen der Scharia und dem rückständigen Weltbild ihrer Familie nicht beugen wollte.

Das Landgericht Berlin hat 2005 drei Brüder der Familie Sürücü angeklagt. Der jüngste hat geschossen und verbüßt nun eine Jugendstrafe. Seine beiden älteren Brüder wurden damals freigesprochen, nun wird das Verfahren gegen sie neu aufgerollt. Das ist erfreulich, denn die Botschaft dieser Entscheidung lautet: Was sich in den autoritärsten Ecken der Zuwanderungsgesellschaft abspielt, wird schärfer denn je beobachtet und verfolgt.

Zu oft hat die deutsche Öffentlichkeit weggeschaut, wenn Frauen aus muslimischen Familien eingeschüchtert oder bedroht wurden. Das galt auch für Hatun Sürücü. Sie wusste, dass sie in Gefahr war - aber keiner ihrer Freunde, Ausbilder und Kollegen nahm ihre Befürchtungen ernst genug. Ein neuer Prozess kann dazu beitragen, dass künftig geholfen statt beschwichtigt wird.

Was sich ändern muss

Man sollte sich aber keine Illusionen über den Ausgang des neuen Verfahrens machen. Im ersten Prozess ist nichts an den Tag gekommen, was die Mittäterschaft der älteren Brüder hätte beweisen können. Eine Kronzeugin, die sie schwer belastet hat, bewies zwar viel Mut, aber ihre Aussage war nicht über alle Zweifel erhaben.

Vieles wirkte zu vage, auch bei dem, was die Staatsanwaltschaft vortrug; was sich da mitten in der Gesellschaft abgespielt hatte, war ihr offenbar völlig neu. Das muss sich ändern, wenn bei der Neuauflage des Prozesses mehr herauskommen soll.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: