Debatte um Urteil:Lehrer nach Sex mit 14-jähriger Schülerin freigesprochen

Monatelang trifft sich ein Lehrer heimlich mit einer 14-jährigen Schülerin, schläft mit ihr, drängt sie, die Beziehung geheim zu halten. In dritter Instanz ist der Pädagoge nun freigesprochen worden. Es habe kein Obhutsverhältnis bestanden, so die Begründung der Koblenzer Richter.

Auf einem Schulausflug nach Hamburg sitzt Lena W., eine Neuntklässlerin aus dem Kreis Neuwied, Anfang 2006 im Bus neben dem Lehrer ihrer Parallelklasse. Die beiden kommen ins Gespräch, unterhalten sich "über belanglose Dinge", wie die 14-Jährige später in einer Gerichtverhandlung sagen wird. Das Mädchen und der mehr als doppelt so alte Pädagoge bleiben in Kontakt, unterhalten sich auf dem Pausenhof und im Chat. Die Beziehung wird intimer und intimer, ein Jahr nach der Klassenfahrt kommt es zum ersten sexuellen Kontakt.

Das Verhältnis dauert fast fünf Monate, der Lehrer schläft immer wieder mit der Jugendlichen - mindestens 22 Mal. Der Pädagoge, der katholische Religion, Mathematik und Englisch unterrichtet und auch als Vertrauenslehrer fungiert, trifft sich sogar im Putzraum der Schule mit dem Mädchen. Immer wieder drängt er sie, die Beziehung geheimzuhalten.

Nach langem Leugnen kommt alles heraus

Vor einem Jahr bekommt der verheiratete Lehrer die Folgen seines Verhaltens zu spüren: Nach langem Leugnen muss er die Beziehung zu Lena W. einräumen - und wird vom Amtsgericht der rheinland-pfälzischen Kreisstadt Neuwied zu zwei Jahren Haft verurteilt. Zwar wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt, doch mit der Entscheidung droht der Lehrer seinen Job zu verlieren. Und alle Privilegien, die mit dem Beamtenstatus verbunden sind.

Er geht in Berufung, doch im Juni schmettert das Landgericht Koblenz die Revision ab. In seinem Plädoyer richtet der Staatsanwalt laut einem Bericht der Rhein-Zeitung "mahnende Worte" an den Angeklagten: Er halte für das Vergehen des Mannes auch ein höheres Strafmaß für "durchaus denkbar." Dieser geht in die dritte Instanz - mit überraschendem Erfolg.

Ende Dezember 2011 wird der suspendierte Lehrer vom Oberlandesgericht Koblenz freigesprochen.

Die Begründung: Es habe kein Obhutsverhältnis zwischen dem Mann und dem Mädchen bestanden. Während des Verhältnisses habe der Lehrer die Schülerin lediglich dreimal vertretungsweise unterrichtet. Nur im Fall eines solchen Abhängigkeitsverhältnisses komme eine Strafbarkeit überhaupt in Betracht, zitiert die Bild-Zeitung Gerichtssprecher Fabian Scherf. Da dies nicht gegeben gewesen sei, habe das Verfahren "zu einem Freispruch führen" müssen.

Eltern und Schulleitung zeigten sich entsetzt. Das Urteil sei eine "Katastrophe", sagte der Rektor der Rhein-Zeitung. "Die Entscheidung verkennt die Realitäten an Schulen völlig." Die Eltern des Mädchens reagierten "total niedergeschlagen". Der Schaden für das Seelenleben seiner Tochter und die Familie sei nicht zu bemessen, so der Vater.

Lena W. hat die Schule inzwischen verlassen und eine Ausbildung begonnen. Immer wieder ist sie in psychologischer Behandlung.

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