Debatte um Gewaltprävention:Fußfessel für verschmähte Liebhaber?

Brutale Beziehungsmorde: Derzeit wird diskutiert, ob der Einsatz der elektronischen Fußfessel Morde an Frauen verhindern kann. Die Polizei ist skeptisch.

Louay Yassin

Die Schlagzeilen sind krass: "Ehemann erwürgt 36-Jährige Frau", kann man dann lesen, oder "40-Jähriger tötet Ehefrau, dann sich selbst". Oder: "75-Jähriger erschießt 22 Jahre jüngere Ehefrau hinterrücks".

Debatte um Gewaltprävention: Die elektronische Fußfessel sendet jederzeit den Aufenthaltsort des Trägers.

Die elektronische Fußfessel sendet jederzeit den Aufenthaltsort des Trägers.

(Foto: Foto: dpa)

Derzeit wird diskutiert, ob die Einführung von elektronischen Fußfesseln solche Beziehungsmorde verhindern kann. In den USA und in Spanien werden die Fußfesseln bereits eingesetzt. Die Gewerkschaft der Polizei ist skeptisch. Sie hält andere Methoden für sinnvoller.

In den USA werden jährlich etwa 100.000 Menschen mit der elektronischen Fußfessel versehen. Meist sind das Menschen, die zu kürzeren Haftstrafen verurteilt wurden, deren soziales Umfeld positiv eingestuft wird und denen man einen Gefängnishaufenthalt ersparen will.

Präventive Anwendung

Doch immer häufiger sind das auch - meist männliche - Stalker, also Menschen, die andere belästigen, ihnen folgen und auflauern. Seit 2001 wird in den Vereinigten Staaten das "electronic monitoring" eingesetzt, um als hochgefährlich eingestufte Ex-Ehemänner zu überwachen, die ihre ehemaligen Partnerinnen bedrohen.

Befürworter eines solchen Einsatzes der Fußfessel in Deutschland ist der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer. "Der Mann bekommt die Fußfessel, die bedrohte Frau einen Empfänger. Der piept, wenn der Mann sich näher als 200 Meter an die Gefährdete heranbewegt", erläuterte der ehemalige Innenminister von Niedersachsen und Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen in Hannover. "So kann sie bei Bedarf Hilfe rufen oder sich in Sicherheit bringen."

"Extrem krasse Fälle"

In Verbindung mit einer verstärkten Vernetzung der Behörden untereinander habe das zu einem kontinuierlichen Rückgang dieser Tötungsdelikte in den USA geführt. Er setzte sich aber nur bei "extrem krassen Fällen" zum Schutz des Lebens für die Verwendung der Fußfessel ein, meinte Pfeiffer. "Da müssen zum Beispiel auch schon Todesdrohungen ausgesprochen sein."

Auch in Spanien wird die elektronische Fußfessel neuerdings präventiv eingesetzt. Auf der Iberischen Halbinsel gab es derart große Probleme mit dem "Macho-Terrorismus", dass Gleichstellungsministerin Bibiana Aído 3000 solcher Fesseln bestellte.

Allein 2008 gingen bei der spanischen Polizei pro Tag im Schnitt 400 Anzeigen wegen "geschlechterspezifischer Gewalt" ein. Betroffen davon sind hauptsächlich Frauen. Pro Jahr werden in Spanien etwa 70 Frauen von ihren verschmähten Ehemännern oder Liebhabern umgebracht. Von der Fußfessel für die erzürnten Ex-Partner erhofft sich Aído nun eine Besserung der Lage.

Modellversuche in Hessen und Baden-Württemberg

In Deutschland wagt man sich an die Fußfessel nur vorsichtig heran. Bisher gibt es einen Modellversuch in Hessen. Etwa 70 Menschen wurde die Fessel am Fuß befestigt, allesamt verurteilte Täter, denen man den Strafvollzug im Knast erließ und dafür Hausarrest verordnete. Ein weiterer Modellversuch soll demnächst in Baden-Württemberg starten. Zur Gewaltprävention wird die Fußfessel nicht angewandt.

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Rachemorde in den letzten Jahren rückläufig

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht deren Einsatz zur Verhinderung von Gewalttaten in oder nach Bezeihungen eher zurückhaltend. "Die GdP begleitet die Modellversuche beim Strafvollzug in Hessen und Baden-Württemberg mit sehr viel Interesse und wartet gespannt auf die Ergebnisse", sagte Rüdiger Holecek, Pressesprecher der Gewerkschaft. "Wir halten aber eine Zustimmung zum Einsatz im präventiven Bereich für eher unwahrscheinlich."

Das Land Berlin, so Holecek, sei zum Beispiel grundsätzlich gegen den Einsatz der Fußfessel. Außerdem sprenge eine Anwendung im Vorfeld einer Straftat nach Meinung der GdP den Gesetzesrahmen.

"Politik reagiert nur auf gräßliche Fälle"

Befürworter Pfeiffer sieht derzeit keine politische Mehrheiten zur Einführung der Fußfessel. "Seien wir ehrlich, dazu braucht es einen oder mehrere herausragende, gräßliche Fälle. Dann kann es sein, dass die Politik reagiert."

Zumal die Statistiken besagten, dass Morde allgemein und auch Rachemorde in den letzten Jahren rückläufig seien. "Es gibt keine Welle wachsender Gewalt gegen Ehepartner, eher das Gegenteil", sagte Pfeiffer. Dennoch sei natürlich jeder Mord einer zuviel.

GdP-Pressesprecher Holecek hält dagegen das derzeit im nordrhein-westfälischen Kreis Unna angewendete "Interventionskonzept zur Verhinderung von Gewaltdelikten" für deutlich erfolgversprechender. Dort werden Frauen, die von ihren Ex-Partnern bedroht werden, systematisch über Verhaltensweisen aufgeklärt.

In Extremfällen bewacht die Polizei die Wohnung oder rät zum Umzug. Aber auch die Männer nimmt sich die Unnaer Polizei vor. Potentielle Täter werden die Waffen abgenommen, sie werden telefonisch überwacht und notfalls eingesperrt - aber man ermöglicht ihnen auch eine Aussprache.

"Aus ihrem Käfig geholt und wachgerüttelt"

Offenbar ist das Programm höchst erfolgreich. Nach Umsetzung sank die "Zahl der versuchten und vollendeten Tötungsdelikte von 15 auf sieben Fälle pro Jahr", heißt es in der GdP-Zeitschrift Deutsche Polizei. "Es wurde keine Person mehr getötet, die zuvor eine Bedrohung angezeigt hatte."

Auch die Täter brachte man mit dem Projekt zur Einsicht. "29 von 32 befragten Tätern bestätigten, dass die polizeiliche Intervention sie zum Innehalten und Umdenken bewegt, sie 'aus ihrem Käfig geholt und wachgerüttelt' habe." So sind die Referenten der Unnaer Polizei inzwischen bundesweit unterwegs, um andere Dienststellen von ihrem Konzept zu überzeugen.

Drei Auftragskiller - vier Mordversuche

Vielleicht hätte das Unnaer Modell auch Erfolg gehabt bei einem Mann aus München, der seiner Ex-Frau gleich drei Auftragskiller auf den Hals schickte. Eine elektronische Fußfessel hätte den Täter wohl nicht von seinem Vorhaben abhalten können. Womöglich aber ein präventives Eingreifen der Polizei.

Glücklicherweise hatten aber alle vier Mordversuche der Auftragskiller keinerlei Erfolg, die Frau lebt. Der Ex-Mann sieht einer langen Freiheitsstrafe entgegen.

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