Dating-App:Single, 25, hasserfüllt, sucht ...

Hater

Hater-App auf dem Handy

(Foto: Pressematerial)

Die neue Dating-App "Hater" soll Singles dabei helfen, die große Liebe aufgrund gemeinsamer Hassobjekte zu finden. Kann das gutgehen?

Von Hanna Sellheim

Zu Beginn dieses Jahres scheint jeder irgendetwas zu hassen - ob Veganer, die unpünktliche Bahn oder Donald Trump. Nur konsequent also, dass sich die Partnersuche nun diesem Klima anpasst. Brendan Alper, der seinen Banker-Job zugunsten einer Karriere als Comedian aufgab, entdeckte die Marktlücke als Erster und entwickelte die Dating-App Hater.

Das Prinzip ist simpel: Der Benutzer gibt seine Meinung zu verschiedenen Themen an, die App schlägt dann potenzielle Partner auf Grundlage der gemeinsamen Abneigungen vor. Die zur Abstimmung stehenden Begriffe sind wild durcheinandergewürfelt: Es geht um Prominente wie Shia LaBeouf, Menschen, die beim ersten Klingeln ans Telefon gehen, oder Achselhaare.

Zuerst dachte Alper sich die App nur für einen Sketch aus, doch schon bald wurde ihm klar, dass er damit einen Nerv getroffen haben könnte. "Je mehr ich darüber nachdachte, umso klarer wurde mir, dass die Idee eigentlich sehr viel Sinn ergibt", sagte der US-Amerikaner dem Magazin The Cut. Also machte er sich an die Realisierung seines Projekts. Bisher gibt es eine Beta-Version nur für das iPhone, die Android-Version soll noch in diesem Frühjahr folgen.

Sag mir, was du hasst - und ich sage dir, wen du liebst

Es mag nach einer absurden Vorstellung klingen, auf Hass als Grundlage für Liebe zu vertrauen. Doch Paartherapeutin und Buchautorin Andrea Bräu sieht darin kein Problem: "Menschen suchen immer nach etwas, das sie mit einem potenziellen Partner verbindet. Auch das Negative kann verbindend sein."

Das ist sicher wahr, solange der Hass harmlos bleibt. Eine gemeinsame Abneigung gegen Katzen bietet schließlich eine wunderbare Gesprächsgrundlage. Gefährlich wird es jedoch, sobald sich der Hass gegen andere Menschen und besonders gegen Minderheiten richtet. Das Risiko, dass die App Rassismus und Hate Speech begünstigen könnte, hat das Entwicklungsteam von Hater erkannt. Sie wollen daher strikt gegen jegliche Formen von Diskriminierung vorgehen - wie genau, darüber hüllen sich Alper und seine Kollegen allerdings bisher noch in Schweigen.

Die Bedienung der App funktioniert ähnlich wie bei Tinder, sie ist bloß um eine Dimension erweitert: Man wischt nach oben für "Love", nach unten für "Hate", nach links für "Like" und nach rechts für "Dislike". Durch einen Klick auf den Bildschirm lässt sich außerdem erfahren, wie andere Menschen zu demselben Thema abgestimmt haben. Sind ausreichend Gemeinsamkeiten mit einem anderen User vorhanden, in der Regel etwa 80 Prozent gleiche Antworten, entsteht ein Match.

Die potenzielle große Liebe wird dem Benutzer dann mit Foto und Vornamen angezeigt, zusätzlich gibt es Angaben zu Alter und Entfernung. Auf Wunsch bekommt man als Inspiration für einen Gesprächsbeginn auch gezeigt, was der oder die andere ganz besonders hasst.

Aber kann dieses Konzept aufgehen? Immerhin steht zu befürchten, dass die anzunehmende Zielgruppe der App, die urbane Filterbubble-Generation der über Zwanzigjährigen, sich in ihren Ansichten allzu einig ist.

Dating-Apps enttäuschen häufig

Doch ganz so einfach macht es Hater seinen Benutzern nicht. Überraschend kontroverse Themen werden vorgeschlagen, zum Beispiel die Enthüllungsplattform Wikileaks. Andere Themen verlangen dem Benutzer einiges an Ehrlichkeit ab: Wer bewerten will, wie gerne er anderen Paaren beim Streiten zusieht, muss schon einigermaßen tief in seine eigenen seelischen Abgründe hinabschauen.

Zusätzlich können neue Vorschläge bei den Entwicklern eingereicht werden, um die Auswahl zu erweitern und somit Matches noch präziser zu machen. Etwa 2000 Themen stehen derzeit schon zur Auswahl.

Doch auch wenn Apps wie Hater das Kennenlernen zwischen Gleichgesinnten enorm vereinfachen, bergen sie auch Gefahren, meint Paartherapeutin Bräu. Das immer größer werdende Angebot führe bei vielen Menschen zu Enttäuschungen. "Viele gehen mit zu großen Erwartungen zu einem Date mit jemandem, der dieselben Interessen teilt", warnt sie. "Wir zäumen das Pferd dadurch von hinten auf. Man trifft nicht mehr jemanden, hat mit ihm Blickkontakt und lernt sich dann langsam kennen, sondern man gibt schon von vornherein sehr viel von sich preis." Sie rate daher immer dazu, sich recht bald mit jemandem persönlich zu treffen, anstatt lange anonym zu chatten.

Auch den immer größer werdenden Markt hinter Dating-Portalen und -Apps sollte man nicht vergessen, erklärt Bräu. "Natürlich geht es bei so was auch um Profit. Die Entwickler lassen sich immer verrücktere Konzepte einfallen, nur um möglichst viele Leute anzulocken."

"Eine App ist so was wie eine virtuelle Bar"

Ob die zunehmende Bedeutung von Online-Angeboten bei der Partnersuche insgesamt positiv oder negativ zu bewerten sei, lässt sich laut Bräu unmöglich beurteilen. "Entscheidend ist aber, dass wir verantwortungsvoll mit dieser Entwicklung umgehen und aufpassen, sozial nicht völlig zu verwahrlosen", sagt die Beziehungsexpertin.

Dennoch spricht aus ihrer Sicht nichts dagegen, die App einmal auszuprobieren: "Letztendlich ist auch eine App wie Hater ein Portal zum Kennenlernen, so was wie eine virtuelle Bar." Ihrer Erfahrung nach sei es unerheblich, wann, wie und wo man jemanden kennenlernt. "Der Volltreffer kann einem an der Bushaltestelle oder online begegnen - wenn es passt, dann passt es."

Zumindest ein wenig mehr Tiefe als Apps wie Tinder oder Lovoo, deren Selektions-Mechanismus nur auf oberflächlichen Kriterien basiert, bietet Hater. Immerhin werden hier tatsächliche Interessen und Gesinnungen abgefragt, nicht bloß ein Urteil auf Basis schlechter Selfies gefällt.

Hater mag Symptom einer scheinbar immer rauer werdenden Wirklichkeit sein, setzt aber eigentlich nur einen Trend fort, der schon lange besteht. Zudem sind dieselben Hassgefühle längst nicht die einzige Voraussetzung für einen Match bei Hater. Ebenso wichtig sind die übereinstimmenden Angaben zu den Dingen, die man liebt - ganz so misanthropisch, wie die App vermarktet wird, ist sie also gar nicht.

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