Costa Concordia:Schon wieder Lärm

From the Files: Costa Concordia Captain Verdict

Katastrophe statt "Verneigung": die Costa Concordia vor Giglio.

(Foto: Tony Gentile/Reuters)

In Florenz wird über die Zukunft des Unglücks-Kapitäns Francesco Schettino entschieden.

Von Oliver Meiler, Rom

Dabei sein mag Francesco Schettino nicht, obschon es wieder um ihn geht. Das würde, schreibt er in einem Brief an die Richter, nur neuen "Lärm in den Medien" verursachen. Sein Wesen aber soll dann doch über dem Gerichtssaal schweben - oder wie er es nennt: "meine menschliche Seite". Am Appellationsgericht von Florenz beginnt an diesem Donnerstag das Berufungsverfahren im Fall des früheren Kommandanten der Costa Concordia.

Vor einem Jahr hatte das Tribunal in Grosseto, der Provinzhauptstadt der südtoskanischen Maremma, Schettino zu 16 Jahren Haft verurteilt. Es sprach ihn der fahrlässigen Tötung von 32 Passagieren schuldig, die an jenem 13. Januar 2012 nach seinem gefährlichen Manöver vor der Isola del Giglio, einem sogenannten "Inchino" ("Verneigung" vor der Insel durch nahes Passieren), starben. Zudem sahen es die Richter als erwiesen an, dass Schettino unter Missachtung seiner Pflichten Menschen in Not ihrem Schicksal überließ, als er das Schiff verließ und sich auf einem Rettungsboot in Sicherheit brachte. Weiter verhängten sie zwei Verbote: Schettino soll sein Leben lang keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfen. Und er darf mindestens fünf Jahre kein Passagierschiff steuern.

Das Urteil jedoch befriedigte weder die Anklage noch den Angeklagten, und so beantragten beide Berufung. Die Staatsanwälte fordern eine höhere Haftstrafe, nämlich 26 Jahre Gefängnis, weil sie der Ansicht sind, der "Inchino" sei ein vorsätzlich krimineller Akt gewesen und gehöre als solcher geahndet. Schettinos Anwälte plädieren auf Freispruch, weil sie der Meinung sind, die Richter erster Instanz hätten "schwere Fehler" begangen.

Schettino wird dem Prozess also fernbleiben. Vorbeikommen würde er nur, wenn es die Richter ausdrücklich wünschten. Sein neunseitiger Brief mit "persönlichen Beweggründen" ruft Erinnerungen an das erste Verfahren wach, in dem sich der 55-Jährige mit teils grotesk showartigen Auftritten verteidigte. So schreibt er nun, er wolle nicht persönlich teilnehmen, weil seine Emotionen sonst nur wieder als Futter für die Zeitungen missbraucht würden: "Die Darstellung, die daraus entsteht, spiegelt weder meine Person und noch weniger mein Gemüt."

Damit sich das Gericht ein Bild von seinem Gemüt machen könne, schildert er, wie er sich an jenem 13. Januar 2012 fühlte: "Als ich zuschaute, wie sich die Concordia auf eine Seite neigte, wie ein wundes Tier, hätte ich es am liebsten mit meinen eigenen Händen wieder aufgerichtet." Die Offiziere hätten ihm nicht geholfen, er sei nicht gebührend ausgebildet gewesen für einen solchen Notfall. Seit jenem Abend sei er nie mehr zur Ruhe gekommen. "Mein Leben endete in jener Nacht, und wenn ich keine Angst haben müsste, falsch verstanden zu werden, würde ich jetzt sagen, dass es zur selben Zeit endete wie jene 32 Leben." Sehr groß war die Angst, falsch verstanden zu werden, dann wohl doch nicht.

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