Amanda Berry kann wieder lächeln. Weil sie das gute Ende der Geschichte kennt. Sie sitzt vor einer großen Fensterfront, draußen fahren ab und an Autos vorbei. Sie trägt einen schwarzen Blazer, das schulterlange Haar ist frisch gesträhnt, den Pony mit einer Spange nach hinten geklemmt.
Die Augen glänzen, ihre Haut auch. Es ist ihr erster öffentlicher Auftritt seit Monaten und im Scheinwerferlicht wirkt es, als habe das Martyrium keinerlei Narben hinterlassen. Aber das ist natürlich nicht so. Amanda Berry ist vor die Kamera getreten, um die Welt darum zu beten, sie in Ruhe zu lassen. "Ich bitte Sie darum, auch weiterhin unsere Privatsphäre zu respektieren und uns Zeit zu geben, wieder ein normales Leben zu führen", sagt Amanda Berry.
Das Schicksal von Berry, Georgina DeJesus und Michelle Knight hatte in den USA für Entsetzen gesorgt. Es erinnerte an den Fall Natascha Kampusch: Die drei Frauen waren zwischen 2002 und 2004 entführt und über Jahre hinweg weg in einem Haus in Cleveland festgehalten und misshandelt worden.
Weil der Entführer vergaß, die Haustür abzusperren, konnte die heute 27-jährige Amanda Berry am 6. Mai dieses Jahres flüchten und mit Hilfe von Nachbarn und Polizei auch die beiden anderen Entführungsopfer befreien. Die US-Medien waren voll mit den Bildern der Frauen, die sich jedoch nicht äußern wollten. Jetzt, zwei Monate später, brechen sie ihr Schweigen. In einem Youtube-Video, das vor wenigen Tagen in Cleveland gedreht wurde, sprechen die drei erstmals öffentlich über ihr neues Leben.
"Ich bin so glücklich, wieder zuhause bei meiner Familie und meinen Freunden zu sein. Ich möchte allen danken, die uns unterstützt haben. Ich werde jeden Tag stärker", sagte Amanda Berry.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von Youtube angereichert
Auch die 32-jährige Michelle Knight zeigte sich kämpferisch: "Ich bin vielleicht durch die Hölle gegangen, aber ich bin stark genug, um mit einem Lächeln und erhobenem Kopf durch die Hölle zu gehen." Die 23-jährige Georgina DeJesus spricht dagegen nur kurz, sie überlässt es ihrem Vater, sich für die Unterstützung zu bedanken.
Das Interview, so Knights Anwältin Kathy Joseph in einer Erklärung, sei auf ausdrücklichen Wunsch der Entführungsopfer zustande gekommen. Allerdings ließ Joseph wissen, dass keine der drei Frauen daran interessiert sei, über ihre Erlebnisse in den Medien zu sprechen.