China:Made in Hongkong

File photo of people dining at a Kentucky Fried Chicken outlet in Shanghai

Bei "Kentucky Fried Chicken" in Hongkong gibt es jetzt sogar essbaren Nagellack zu kaufen. Keine Frage, wonach der schmeckt.

(Foto: Aly Song/Reuters)

Hühnchen-Nagellack und Empörung über edle Taschen aus Papier - wie die Konzerne Kentucky Fried Chicken und Gucci Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Von Kai Strittmatter, Peking

Die Hongkonger trifft es derzeit knüppeldick. Ihre mutigsten Journalisten werden gefeuert, ihre Buchhändler von chinesischen Agenten gekidnappt, die Piraterie-Detektive des Luxusartikelkonzerns Gucci stellen ihnen noch im Jenseits nach, und der amerikanische Hühnerfrittierer Kentucky Fried Chicken verkauft ihnen jetzt Nagellack. Also: essbaren Nagellack. Aber nein, keinen Erdbeer-Brause-Kinderkram, sondern echt coolen Nagellack, nämlich einer, der nach frittiertem Hühnchen schmeckt. KFC will damit die junge Generation angeln, der Nagellack soll sie "an den tollen Geschmack und die gute Zeit" erinnern, die man in den KFC-Läden erleben kann, wo auch sonst.

Der Kunde kann wählen, zwischen "Hot and Spicy" und "Original Recipe". Oder gar nichts. Aber dann hat er halt wahrscheinlich auch keine so gute Zeit wie das hippe Mädel in dem von KFC online gestellten Video zum Nagellack, das sich eineinhalb Minuten lang zu zuckenden Beats stumm die Lippen leckt, während der coole Junge neben ihr seine Finger den Hühnerwahnsinn tanzen lässt. Aber klar, ob cool oder bescheuert, ihr erstes Ziel haben die Werber von KFC schon mal erreicht: Hongkong redet über sie, die Weltpresse (ja, auch wir) berichtet, und die New York Times, auch das war wahrscheinlich so eingeplant, titelt was mit "Chicken Fingers". Auch die Leute von Gucci haben es geschafft, dass alle Welt über sie redet, bloß leider gar nicht so, wie es der Marke guttäte. Irgendwann merkten sie das in Paris auch, am Freitag trat da der Kering-Konzern, zu dem die Marke Gucci gehört, kleinlaut an die Öffentlichkeit und entschuldigte sich. Bei Hongkongs Grab- und Tempelausstattern. Die nämlich hatte vor ein paar Tagen erst ein saftiger Brief der Luxusfirma erreicht, der sie in drohendem Ton der Markenpiraterie beschuldigte und ultimativ einen Verkaufsstop für nachgemachte Gucci-Produkte verlangte. Tatsächlich kriegt man zum Beispiel in einem der vielen kleinen Läden auf Hongkongs Java-Straße passabel kopierte Gucci-Sachen zum Spottpreis: Eine Gucci-Handtasche für keine fünf, ein paar Schuhe für keine drei Euro. Die Sache ist nur: Das Zeug ist aus Papier und Pappe. So wie auch das Rolex-Goldketten-Set nebenan. Oder das iPhone und die Apple Watch. So wie die Sony-Playstation und der Flachbildschirm. Der rote Lamborghini und der goldene Mercedes-Benz. So wie der etwas kantige Hund und die Hundehütte oben auf dem Regal. Oder wie die Zahnpasta und die dritten Zähne im Grabbelkorb neben dem Eingang, das heißt: Es sind wohl schon die vierten Zähne. All die Sachen nämlich sind für Hongkongs Verstorbene. Hier stehen Hongkongs Supermärkte fürs Jenseits.

Der chinesische Kulturraum kennt einige uns Europäern fremd anmutende Beerdigungsbräuche. Manche sind erst ein paar Jahrzehnte alt, wie der in Taiwans ländlichen Gebieten weitverbreitete Beerdigungsstriptease: Leicht bekleidete Mädchen fahren auf "Elektrischen Blumenwagen" - meist umgebauten Lkw-Ladeflächen - beim Leichenschmaus vor, um die Trauergäste mit Pole-Dancing an die Freuden des Weiterlebens zu erinnern. Grabbeigaben hingegen sind eine jahrtausendealte Tradition. Irgendwann begannen die Hinterbliebenen, Totengeld zu verbrennen, falsches Papiergeld, das, so der Glaube, mit dem Rauch zusammen ins Jenseits zog, um dort den Verstorbenen zu Diensten zu sein.

Mit zunehmendem Wohlstand und Konsum hielt vor einigen Jahrzehnten schon die Welt der Markenprodukte Einzug in die Läden der Totenausstatter. Der Verstorbene sollte auch im Jenseits nicht auf seine "Marlbero" verzichten, nicht auf Anzug, Hemd und Krawatte ("Armeni"); und wenn er sein bescheidenes Leben zuletzt auf zwölf Quadratmetern Hongkong gefristet hatte, warum sollte man ihm dann nicht ein dreistöckiges Haus mit Balkon und Garage mit auf die andere Seite geben? Weder Apple noch Mercedes noch Ralph Lauren oder sonst irgendwer hatte sich bislang an der Praxis gestört.

Der Vorstoß von Gucci stieß deshalb erst einmal auf Unglauben, der bald in Empörung umschlug. Wie sich hier ein Multimilliarden-Konzern ein paar kleine, mittellose Ladenbesitzer vorknöpfe, das rieche schwer nach "Schikane", kommentierte die South China Morning Post. Die Reporter von Apple Daily trieben einen Gucci-Totenschuh-Verkäufer auf, der glaubhaft versicherte, noch nie in seinem Leben von der Marke Gucci gehört zu haben. Und Rechtsanwälte wiesen darauf hin, dass die Verwechslungsgefahr mit den echten Produkten eher gering sein dürfte. "Wir haben eine andere Zielgruppe", diktierte einer der Verkäufer einem lokalen Reporter in den Notizblock.

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