Südamerika:Bye bye, Ü-Ei: Chile verbietet Essen mit Spielzeug

Ueberraschungsei wird 30

Lockende Leckerei? Kinder in Chile müssen künftig ohne Überraschungs-Eier aufwachsen.

(Foto: Michael Urban/ddp)

Das Aus für Überraschungseier und Happy Meals? Die Industrie fürchtet, dass auch andere Länder ähnliche Gesetze beschließen könnten.

Von Boris Herrmann

Die durchaus charmante Idee, Spielzeug in Schokolade zu verstecken, stammt aus Italien. Es waren aber die Deutschen mit ihrem Sammlertrieb, die dem Überraschungsei zur großen Karriere verhalfen. Das halbe Land schien auf dem Höhepunkt des Ü-Ei-Booms in den 1990ern ein erfülltes Leben mit einem vollständigen Satz an Tapsi Törtels, Happy Hippos oder Fanny Fanten gleichzusetzen. Nun aber könnte Chile den Untergang des Überraschungseis einleiten. In dem Land tritt diese Woche ein Gesetz mit Pioniercharakter in Kraft, das unter anderem Grenzwerte für den Salz- oder Zuckergehalt von Lebensmitteln vorschreibt. Sind diese überschritten, muss ein schwarzer Warnhinweis auf die Packung, wie bei Zigarettenschachteln. Außerdem dürfen Süßigkeiten nicht mehr in Kombination mit Spielwaren verkauft werden.

Damit ist das Überraschungsei - "El Huevo Kinder", wie die Chilenen sagen - verboten. Auch das Happy Meal ("Cajita Feliz") von McDonald's hat fortan als gesetzlose Mischung aus Hamburger und Plastikbeigabe zu gelten. Das Spielzeug, so argumentiert der Gesetzgeber in Santiago, diene bei solchen Angeboten lediglich als "Haken", um minderjährige Kunden für minderwertige Nahrung zu gewinnen.

Ein Erfolgsprodukt am Rande der Legalität

Das Überraschungsei ist heute in mehr als 40 Ländern zu haben, wahrscheinlich handelt es sich um das meistverkaufte Spielzeug der Welt. Weil es aber in einer recht kalorienreichen Hülle steckt, hat es auch einflussreiche Gegner. Es ist ein Erfolgsprodukt am Rande der Legalität, in Chile zumindest. Aufgeklärte Gutmenschen wissen natürlich, dass große und kleine Kinder, die zur Kinderüberraschung greifen, zunächst einmal Opfer einer perfiden Marketingstrategie des italienischen Süßwarenherstellers Ferrero sind. Vor einigen Jahren stand hierzulande die FDP mal im Verdacht, das Überraschungsei abschaffen zu wollen. Deutschland steckte, man ahnt es, gerade im Sommerloch. Nach der ersten Empörungswelle dementierte die FDP umgehend. Das hat sie allerdings nicht vor ihrem nachhaltigen Umfrageloch bewahrt.

Man darf nun gespannt sein, wie sich der neue chilenische Ü-Ei-Bann auf die politische Gemengelage in Südamerika auswirkt. Lateinamerika hat ein Jahrzehnt hinter sich, in dem die Armut deutlich sank und sich die Zahl der Fettleibigen verdoppelte. Chile gehört inzwischen zu den Ländern mit der dicksten Jugend weltweit. Nach offiziellen Angaben ist dort jedes zweite Kind übergewichtig. Das liegt im Wesentlichen an einer Esskultur, in der es irgendwie normal ist, dass Babys Cola statt Milch aus dem Fläschchen nuckeln und es viele Kinder gibt, deren Hände scheinbar in Chipstüten festgewachsen sind. Die Regierung geht also aus guten Gründen gegen Überraschungseier und ähnliche Waren vor. Ferrero kündigte trotzdem juristischen Widerstand an - offenbar auch, um potenzielle Nachahmer wie Brasilien oder Mexiko abzuschrecken.

Deutlich problembewusster und mit etwas mehr Selbstironie ging der Hersteller in der goldenen Ü-Ei-Ära mit Gesundheitsthemen um. Da konnte die Überraschung auch mal aus einem Happy Hippo bestehen, das auf einer Hantel eingeschlummert war.

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