Chile:"Das ist wie der Weltuntergang"

Nach dem schweren Erdbeben vor Chile steigt die Zahl der Toten: Mindestens 147 Menschen kamen ums Leben, viele sind noch unter Trümmern verschüttet. Auf Hawaii hat die Evakuierung begonnen. Dort wird eine Flutwelle von bis zu fünf Metern befürchtet.

Nach dem Erdbeben der Stärke 8,8 in Mittelchile steigt die Zahl der Opfer weiter: Mindestens 147 Menschen seien ums Leben gekommen, sagte die Leiterin der Nationalen Rettungsbehörde, Carmen Fernandez. Präsidentin Michelle Bachelet hat den Katastrophenzustand ausgerufen.

Ob auch Deutsche unter den Opfern sind, ist noch unklar. Das Auswärtige Amt bemühe sich um Informationen, heißt es auf der Homepage.

Außenminister Westerwelle sprach Chile seine Anteilnahme aus. "Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Angehörigen der Opfer und Verletzten", sagte der FDP-Chef nach Angaben des Auswärtigen Amtes.

Eingeschlossen unter Trümmern

In der Stadt Concepción, die besonders schlimm von dem Beben getroffen wurde, sind mindestens 150 Menschen unter den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes eingeschlossen worden. Rettungsmannschaften versuchten, zu den Opfern vorzudringen. Bisher seien etwa ein Dutzend Menschen geborgen worden, berichteten nationale Medien.

Bei dem Gebäude handele es sich um ein 14-stöckiges Wohnhaus, das erst vor kurzem fertiggestellt worden sei. In der Region leben viele Nachfahren deutscher Einwanderer. Auch unter anderen eingestürzten Gebäuden werden noch Menschen vermutet.

Im Fernsehen waren Bilder von Trümmern auf den Straßen von Concepción zu sehen. Die 200.000-Einwohner-Stadt ist am schlimmsten vom Erdbeben betroffen.

Nachbeben in Santiago

Der Erdstoß löste einen Tsunami aus, dessen Gefährlichkeit zunächst nicht abzusehen war. Auch in der Stadt Curicó stürzten Medienberichten zufolge mehrere Gebäude ein. Wenige Stunden nach den Erdstößen brachte ein schweres Nachbeben Gebäude in der Hauptstadt Santiago zum Wanken. Der internationale Flughafen wurde geschlossen. Die Lage war zunächst unübersichtlich; Telefonleitungen wurden unterbrochen und der Strom fiel aus.

Das US-Tsunami-Warn-Zentrum (NOAA) gab bekannt, dass eine 2,3 Meter hohe Flutwelle durch die Stadt Talcahuano gerollt sei. Talcahuano liegt an einer Pazifik-Bucht nördlich von Concepción.

Für Australien wurde eine Warnung ausgegeben. Von einer Flutwelle könnten unter anderem die östlichen Staaten New South Wales und Queensland betroffen sein, erklärte das australische Warnzentrum.

Auch für die Insel Hawaii gilt die Warnung. Eine Flutwelle werde dort für etwa 11 Uhr Ortszeit erwartet. Dort hat inzwischen die Evakuierung der Küstengebiete begonnen. "Verlassen Sie die Küste. Wir schließen alle Strände und bitten die Menschen, das Gebiet zu verlassen", hieß es in einem Aufruf des Zivilschutzes von Oahu. Alle Strände seien gefährdet, "egal, in welche Richtung sie liegen", teilte das Tsunami-Zentrum mit, das für den gesamten Pazifik eine Warnung vor der Flutwelle ausgegeben hat. Busse fuhren die Strände ab und nahmen Badegäste mit in höher gelegene Parks.

Es wird befürchtet, dass sich die Flutwelle bis zu einer Höhe von fast fünf Metern auftürmen könnte.

Dem australischen Amt für Meteorologie zufolge dürfte die Ostküste entlang eines Streifens nördlich von Sydney bis nördlich von Brisbane betroffen sein. "Die Beobachtungen des Meeresspiegels haben bestätigt, dass ein Tsunami ausgelöst wurde", hieß es in einer Erklärung. Schaulustige sollten sich nicht zum Strand begeben, um die Welle zu beobachten.

Zahl der Toten könnte steigen

In Chile sei die Tsunami-Gefahr indessen gebannt. Wie Staatspräsidentin Bachelet mitteilte, wurde die Warnung für die Pazifik-Küste von Chile und Peru aufgehoben. Die Erdstöße hatten einen Tsunami ausgelöst, der in Wellen mit einer Höhe von bis zu 1,50 Meter auslief und zu Überschwemmungen in einigen Küstenorten führte.

Bachelet ruft die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren

"Das ist wie der Weltuntergang", sagte ein Mann dem örtlichen Fernsehen in der Stadt Temuco, wo Häuser beschädigt wurden und das Krankenhaus evakuiert werden musste. "Ich habe noch nie in meinem Leben ein solches Erdbeben erlebt."

In Santiago strömten Menschen auf die Straßen, sie weinten und umarmten sich. Präsidentin Bachelet rief die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren. Sie rechne angesichts der Stärke des Bebens damit, dass die Zahl der Toten noch steigt.

Ein Tsunami habe auf der südchilenischen Insel Juan Fernandez zu schweren Schäden geführt, berichteten örtliche Medien.

Das Epizentrum liegt 92 Kilometer von Concepción entfernt vor der Küste des Landes und in einer Tiefe von 55 Kilometern. Die Erdstöße dauerten zwischen zehn und 30 Sekunden.

Wegen eines drohenden Tsunamis werden die Küsten der zu Chile gehörenden Osterinsel evakuiert. Eine Flutwelle könne die Insel im Pazifik binnen einer Stunde treffen, sagte Bachelet.

Nicht das erste Megabeben in Chile

Die US-Geologen hatten die Stärke des Bebens zunächst sowohl mit 8,3 als auch mit 8,5 angegeben, um sie schließlich auf 8,8 zu korrigieren. In schneller Folge gab es mehrere Nachbeben mit Stärken von bis zu 6,2. Eine Erschütterung der Magnitude 8 oder höher gilt als "Großbeben mit vielen Opfern und schweren Verwüstungen".

Auch aus Tumaco, der Hauptstadt der Region Araucanía, gab es Berichte über zusammengestürzte Häuser.

Der Blogger Leo Perieto berichtete im amerikanischen Nachrichtensender CNN, das Erdbeben habe nach seinem Eindruck etwa drei bis fünf Minuten gedauert. In seinem Appartement seien Dinge aus den Regalen geflogen und alles sei durcheinandergewirbelt worden.

Kurz nach dem Beben hatte das Pazifik-Warnzentrum auch Flutwellen vor der US-Küste bis nach Alaska befürchtet. Diese Meldung wurde später aber zurückgenommen.

1960 war Chile von dem stärksten Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1900 erschüttert worden. Das Beben der Stärke 9,5 verwüstete damals die Stadt Valdivia, 1655 Menschen kamen ums Leben.

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