Busunglück in der Schweiz:Fahrer im Fokus der Ermittlungen

Wie kam es zu dem verheerenden Unfall in einem Schweizer Tunnel, bei dem 22 Kinder und sechs Erwachsene starben? Noch immer stehen die Fahnder vor einem Rätsel. Nachdem technische Ursachen ausgeschlossen wruden, konzentrieren sich die Ermittlungen jetzt ganz auf den Fahrer.

Drei Monate nach dem tödlichen Unfall eines belgischen Schulbusses in der Schweiz fahnden die Ermittler noch immer nach der Ursache. Die Untersuchungen konzentrieren sich jetzt auf den 34-jährigen Fahrer. Das teilte der zuständige Staatsanwalt des Schweizer Kantons Wallis, Olivier Elsig, in Brüssel mit. Zuvor hatte er Angehörige der Unfallopfer getroffen. Als mögliche Unfallursachen blieben menschliches Versagen oder Krankheit, sagte Elsig.

Bei dem Unglück am 13. März waren in einem Autobahntunnel nahe der Schweizer Stadt Siders 21 belgische und sieben niederländische Businsassen ums Leben gekommen, darunter 22 Kinder im Alter von etwa zwölf Jahren. Auch Lehrer und die beiden Busfahrer gehörten zu den Opfern. Weitere 24 Passagiere wurden verletzt, unter ihnen ein Kind aus Deutschland.

Die Tragödie ereignete sich auf der Rückfahrt von einem Skiurlaub im Val d'Anniviers. Zum Verhängnis wurde der 52-köpfigen Reisegruppe eine Mauer am Ende einer Nothaltebucht, die im rechten Winkel zur Fahrtrichtung stand. Der Bus zerschellte frontal an der Betonwand des Tunnels, den der ADAC als sicher eingestuft hatte. Durch die Wucht des Aufpralls wurden sogar die Sitze durch den Bus geschleudert. Die Rettungsaktion im Tunnel dauerte die ganze Nacht. Mehr als 200 Sanitäter, Ärzte und Polizisten waren im Einsatz.

Mit 100 Stundenkilometern kracht der Bus in die Betonwand

Der Ermittlungsbericht schildert den Ablauf des tragischen Unglücks: "Der Bus hat die rechte Bordsteinkante 75 Meter vor dem Ort des Aufpralls berührt", heißt es darin und weiter: "Danach ist er auf den Bordstein aufgefahren und hat seine Route von dort bis zum Unfall fortgesetzt." Zwischen der ersten Berührung mit der Fahrbahnkante bis zur Kollision seien nur drei Sekunden vergangen. Dazwischen habe der Fahrer keinerlei Richtungswechsel oder Bremsversuche unternommen. Letztlich krachte das Gefährt mit etwa 100 Stundenkilometern in die Betonwand - exakt so viel, wie an der Unglücksstelle erlaubt waren.

Minutiös listete die Staatsanwaltschaft auf, welche möglichen Unglücksherde sie untersuchen ließ: Geprüft wurden Reifen, Bremsen, Lenkung, Radaufhängung und Gaspedal. Das Ergebnis: Materialfehler und Wartungsversäumnisse sind als Ursache auszuschließen. Dasselbe gilt für mögliche Einflüsse durch andere Fahrzeuge, Straßenschäden oder bauliche Mängel am Tunnel.

Bleibt menschliches Versagen als Ursache. Doch erst zwei Minuten, bevor der Bus in die Tunnelwand nahe Siders krachte, hatte der zweite Fahrer das Steuer übernommen. Dass er bereits nach so kurzer Zeit eingeschlafen sein könnte, halten die Ermittler für unwahrscheinlich. Der Mann hatte laut Elsig keinen Alkohol im Blut und fuhr die vorgeschriebenen 100 Kilometer pro Stunde. "Die Ruhezeiten sind genauestens eingehalten worden", sagte der Staatsanwalt.

Die Untersuchungen konzentrieren sich nun auf den Fahrer und seinen Gesundheitszustand. Das Schweizer Ermittlerteam habe die Krankenakten geprüft und weitere toxikologische Untersuchungen angeordnet. Dabei könnte beispielsweise die Konzentration von Medikamenten im Blut geprüft werden, erklärte Elsig. Dies werde allerdings noch mindestens drei Monate in Anspruch nehmen.

Bestürzung und Mitgefühl weit über Belgien und die Schweiz hinaus

Das Schicksal der Kinder hatte weit über die Schweizer und belgischen Grenzen hinaus für Bestürzung gesorgt. Papst Benedikt XVI. schloss die Opfer und ihre Familien in seine Gebete ein. Den Verletzten, ihren Angehörigen aber auch den Rettungskräften sprach er schriftlich sein tiefes Mitgefühl aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb in einem Telegramm an den belgischen Ministerpräsidenten Elio Di Rupo: "Ich möchte Ihnen und Ihren Landsleuten in dieser schweren Stunde die Anteilnahme der Menschen in Deutschland und mein ganz persönliches Mitgefühl ausdrücken."

Die belgische Regierung rief nach der Tragödie erstmals seit dem Tod von König Baudouin 1993 einen nationalen Trauertag aus. Bei einer Schweigeminute auf öffentlichen Plätzen, in Schulen, Behörden, Fabriken und dem Parlament gedachten die Menschen der Opfer. Wie auch in den Niederlanden wurden die Flaggen auf halbmast gehängt.

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