St. Gallen:Vom Box-Weltmeister zum Management-Dozenten

Wladimir Klitschko v Tyson Fury - Press Conference

Ex-Box-Weltmeister Wladimir Klitschko ist wieder beschäftigt: Er gibt an der Universität St. Gallen Seminare zum Thema "Change & Innovation Management".

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Wladimir Klitschko hat in den vergangenen sechs Monaten an der Universität St. Gallen ein Seminar zum Thema "Change & Innovation Management" geleitet.
  • Insgesamt 19 Studenten erteilte er Lektionen wie "Du bist die bewegende Kraft" oder "If I control my mind, I can control everything".
  • Der Uni hat die Zusammenarbeit gefallen: In Kürze soll ein "Kompetenzzentrum für Intrapreneurship" entstehen, ein neuer Jahrgang startet im Februar 2017.

Von Charlotte Theile

Wladimir Klitschko hat einen Hut auf, einen dieser viereckigen Doktorhüte. Neben seinem Kopf baumelt ein rotes Bändchen, daran ein goldenes "2016". Dass dieser Mann auch boxen kann, ist nicht zu erkennen. Er sieht eher aus wie ein sehr großer Mann in einem etwas unglücklichen Karnevalsoutfit.

Klitschko hebt jetzt zu einer Rede an seine Studenten an, auch sie in Doktorhut und Talar, auch sie: erwachsene Menschen, die eigentlich etwas anderes machen - den Verkauf einer großen Versicherung leiten, die Verkehrsplanung der Stadt Luzern verantworten zum Beispiel. In den vergangenen sechs Monaten aber haben sie viel Zeit mit Wladimir Klitschko verbracht. 14 950 Euro hat sie das Seminar "Change & Innovation Management" an der renommierten Hochschule Sankt Gallen gekostet, diese Woche war die Abschlussfeier.

Die 19 Studenten sind begeistert, so hieß es zumindest bei der Pressekonferenz einige Stunden zuvor, nun aber, bei der internen Feierlichkeit, will Klitschko ehrliches Feedback. Unmittelbar und echt, aus dem Bauch heraus, sollen die Studenten jetzt die Frage beantworten: "Haben wir es geschafft?" "Ja!", rufen einige Übereifrige schon, bevor Klitschko die Frage zu Ende gestellt hat, er braucht aber auch wirklich lange, um zum Punkt zu kommen. Immer wieder wird er von zögerlichen "Ja"-Rufen unterbrochen.

"Du bist die bewegende Kraft"

Die Studenten scheinen aber wirklich ganz zufrieden zu sein. Die beiden Wahlsprüche des Seminars seien ihm in Fleisch und Blut übergegangen, erklärt einer der Teilnehmer. "Du bist die bewegende Kraft", das sei der eine. "If I control my mind, I can control everything", das sei der andere. Seine Augen leuchten etwas entrückt, er sei gespannt, wohin ihn diese Lebenslektion noch führen werde. Eine andere Teilnehmerin betont den Wert des Selbstmanagements. "Die Erkenntnis ist: Es beginnt alles bei dir."

Wladimir Klitschko, bei dem in diesem Fall tatsächlich alles beginnt, ist seit 2015 nicht mehr Box-Weltmeister. Man könnte also meinen, es handle sich um ganz normale Karriereende-Bemühungen. Das sei nicht so, sagt Klitschko. Es gehe weder ums Geld noch um ein Leben nach dem Sport. Da habe er noch viel vor. Er habe einfach Lust gehabt, seine Erkenntnisse weiterzugeben. Und wirklich: Klitschko war viel in St. Gallen, hat mit den Studenten "Challenges" bestritten, einmal sogar gegen den Ökonomie-Professor in der Disziplin "Liegestützen" verloren. "Ich bin kein Liegestützen-Meister" sagt Klitschko knapp, es ist nicht sein Lieblingsthema.

Klitschko und die Wissenschaft: eine längere Sache

Lieber spricht er von "Ausdauer, Beweglichkeit, Konzentration und Koordination", das sei es, was man brauche in einer sich schnell verändernden Welt. Noch ein paar Schlagworte, Digitalisierung, Innovation, und, am liebsten, "die VUCA-World". Volatil, Unsicher, Complex, Ambigous, also wahnsinnig unberechenbar. Um da mithalten zu können, brauche es einiges, vor allem in einem drin, darauf habe er versucht, die Studenten vorzubereiten. Klitschko spricht frei, seine Begeisterung scheint echt. Auch die Uni wirkt zufrieden, in Kürze soll ein "Kompetenzzentrum für Intrapreneurship" entstehen, im Februar 2017 beginnt ein neuer Jahrgang. Klitschko und die Wissenschaft, das soll eine längere Sache werden.

Im Gespräch weist Klitschko auf seinen tatsächlichen Doktortitel hin, er promovierte zur Pädagogischen Kontrolle im Sport. Zu seinen sportlichen Ambitionen will Klitschko, der mit der Niederlage gegen Tyson Fury im November 2015 alle Weltmeistertitel verlor, eher nichts sagen. Seinen Studenten aber ruft er später zu: "Ich werde wieder Weltmeister. Ich verspreche es euch." Wenn er das Bild von vor einem Jahr anschaue - auch darauf trägt Klitschko Doktorhut und Talar, Überschrift: "Meet the Challenge!" - beschäftige ihn vor allem ein Gedanke: "Damals warst du noch Weltmeister."

Doch auch hierfür hat der 40-Jährige ein Gleichnis gefunden: Das Leben sei "wie eine Sinuskurve", es gelte, sich in Zeiten, in denen die Kurve steigt, für die Zeiten des Niedergangs fit zu machen. Wo auf der Kurve er sich gerade befindet, ist klar. Nicht mehr Weltmeister, es muss nach oben gehen. Ob die Uni dabei helfen kann? Ob er der Uni hilft? Man weiß es nicht. Für Klitschkos Studenten dagegen ist klar, wessen Nummer sie in Zukunft wählen, wenn etwas schiefgeht. "Wenn ihr mich braucht, ich bin da", verspricht Wladimir Klitschko ihnen zum Schluss seiner Rede.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: