Bundesverwaltungsgericht:Hanf frei!

Ein schwer kranker Mann kämpft seit Jahren um eine Erlaubnis zum Cannabis-Anbau - weil die Droge seine Schmerzen lindert. Nun hat ihm ein oberstes deutsches Gericht recht gegeben. Das Urteil ist eine Premiere, die Hoffnung macht.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Seit anderthalb Jahrzehnten kämpft ein schwer kranker Mann vor Gericht um eine Erlaubnis zum Cannabis-Anbau - nun hat das Bundesverwaltungsgericht ihm Recht gegeben. Weil die Pflanzen für seine medizinische Versorgung notwendig seien und es keine bezahlbare Alternative gebe, müsse ihm das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Cannabis-Anbau im heimischen Badezimmer ausnahmsweise erlauben.

Der heute 52-Jährige leidet seit 1985 an Multipler Sklerose. Seine Motorik ist gestört; stehen, gehen, sprechen, alles ist schwierig. Doch bald hatte er festgestellt, dass Cannabis Krämpfe löst und Schmerzen stillt. Und weil seine Rente von knapp 900 Euro nicht reicht - Cannabis aus der Apotheke würde ihn 1500 Euro monatlich kosten -, kämpft er um eine Erlaubnis zum Eigenanbau. 2005 hatte ihm immerhin das Amtsgericht Mannheim bescheinigt, dass ihm wegen der Pflanzungen im Badezimmer keine Strafe wegen Drogenbesitzes drohe; der Anbau sei "gerechtfertigt", weil es für ihn keine Therapiealternative gebe. Doch eine ordentliche Erlaubnis, ausgestellt vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, blieb ihm versagt. Und dies, obwohl er vom Gitter vor dem Badezimmerfenster bis hin zur Tür mit Fingerprint-Schloss alle erdenklichen Sicherungsvorkehrungen zusagte, um den Behörden die Furcht vor Drogendiebstahl zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte 2012 eine Lizenz zum Anbau immerhin nicht vollends ausgeschlossen, ihn aber zunächst auf das Ersatzmedikament "Dronabinol" verwiesen, ein synthetisch hergestelltes Cannabis-Derivat, das vergleichbare Wirkungen aufweise.

Das Bundesverwaltungsgericht ging nun noch einen Schritt weiter. Die Einnahme von Cannabis führe zu einer "erheblichen Linderung seiner Beschwerden", gegenwärtig stehe kein gleich wirksames "und für ihn erschwingliches" Medikament zur Verfügung; "Medizinalhanf", also getrocknete Cannabisblüten aus der Apotheke, könne er mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht finanzieren, die Krankenkasse habe die Übernahme der Kosten wiederholt abgelehnt. Zudem bescheinigte das Gericht dem Mann, dass er mittlerweile ein veritabler Cannabisprofi sei: Er habe durch die jahrelange Eigentherapie "umfassende Erfahrungen" mit Wirksamkeit und Dosierung.

Inzwischen liegt ein Gesetzesentwurf vor, der derart mühselige Gerichtsverfahren überflüssig machen könnte. Das Bundesgesundheitsministerium plant, dass chronisch kranken Patienten Medizinalhanf vom Arzt verschrieben und von den Krankenkassen erstattet werden darf. Wie genau diese Regelung aussehen wird, bleibt abzuwarten, denn derzeit werden die Pläne von Ärzte- und Apothekerverbänden kritisiert, unter anderem deshalb, weil Medizinalhanf kein Fertigarzneimittel ist, sondern zum Beispiel mit Tabak versetzt konsumiert werden kann - als Joint auf Rezept sozusagen. Zwar sind auch die gesetzlichen Kassen angesichts der Therapiekosten von bis zu 1800 Euro monatlich wenig begeistert von den Plänen. Den schwerkranken Patienten freilich würden unwürdige Prozesse um die für sie segensreiche Droge erspart.

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