Bundespräsidialamt:Kein Bundesverdienstkreuz für Tuğçe

Funeral Of Tugce Albayrak

Tuğçe war im vergangenen November in Offenbach niedergeschlagen worden und erlitt beim Sturz so schwere Verletzungen, dass sie wenige Tage später starb.

(Foto: Getty Images)
  • Die nach einem verhängnisvollen Schlag ins Gesicht gestorbene Studentin Tuğçe wird nicht posthum geehrt.
  • Ihr Tod habe Bundespräsident Gauck zwar sehr berührt, doch "die sehr engen Voraussetzungen für eine posthume Verleihung" seien "nicht im erforderlichen Maße erfüllt", teilte das Bundespräsidialamt mit.
  • Am Dienstag war Täter Sanel M. verurteilt worden. Der Richter hatte bei der Urteilsbegründung indirekt auch den Bundespräsidenten kritisiert.

"Nicht im erforderlichen Maße erfüllt"

Tuğçe Albayrak wird nicht posthum mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Diese Entscheidung teilte das Bundespräsidialamt nun mit. Der Tod der Studentin habe Joachim Gauck sehr berührt, doch eine ausführliche Prüfung und die Würdigung aller Umstände habe ergeben, "dass die sehr engen Voraussetzungen für eine posthume Verleihung nicht im erforderlichen Maße erfüllt sind".

Tuğçe war im vergangenen November in Offenbach niedergeschlagen worden und erlitt beim Sturz so schwere Verletzungen, dass sie wenige Tage später starb. Erste Ermittlungen ergaben, dass sie vor der Tat zwei Mädchen vor dem Angreifer beschützt hatte. Deshalb wurde sie für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Mehr als 300 000 Menschen unterzeichneten eine entsprechende Internet-Petition. Auch die Bundesregierung hatte Sympathie für den Vorschlag geäußert.

"Die Familie von Tuğçe hat sich sehr darüber gefreut, dass viele Menschen ein Bundesverdienstkreuz unterstützt haben", sagte der Anwalt der Familie. "Mir war es klar, dass es nur in seltenen Fällen posthum eine solche Auszeichnung gibt. Wichtig ist, dass sich so viele für Tugce eingesetzt haben."

Richter urteilte auch über Bundespräsidenten

Täter Sanel M. wurde am Dienstag zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt. Richter Jens Aßling hatte nicht nur über den 18-jährigen Angeklagten geurteilt, sondern auch auf die Öffentlichkeit und sogar über den Bundespräsidenten. "Für ein Gericht, ein staatliches Organ, ist es natürlich schwierig, wenn sich hohe Repräsentanten des Staates vorher äußern und Schuld zuweisen. Von einem "brutalen Verbrechen" sei die Rede gewesen, sagte Aßling - und bezog sich damit auf einen Kondolenzbrief an die Familie Albayrak, in dem Gauck jenen Begriff verwendet hatte und Tuğçe als Muster an Zivilcourage rühmte.

Ihre Tochter sei eine bemerkenswerte junge Frau gewesen. Aber sie sei in jener Nacht eben nicht als Heldin gestorben, sagte der Richter beim Urteil an die Eltern des Opfers gewandt. Der Streit, der zu ihrem Tod führte, war von Sanel M. und seinen Kumpels ausgegangen, aber die Frauen standen ihnen in ihrer Wortwahl in nichts nach. Tuğçe ist wohl nicht gestorben, weil sie auf der Toilette zwei minderjährige Mädchen vor Sanel in Schutz genommen hatte. Es ließ in dem Prozess sich nicht einmal klären, ob die Mädchen überhaupt Schutz gebraucht hatten.

Wann das Bundesverdienstkreuz posthum verliehen wird

Eine posthume Verleihungen des Bundesverdienstordens gibt es nur in seltenen Sonderfällen. Zu den wenigen Ausnahmen zählen der Flugkapitän Jürgen Schumann, der 1977 bei der Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut erschossen wurde, und der Geschäftsmann Dominik Brunner, der 2009 in München einen Streit schlichten wollte und starb.

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