Bufdis:"Ich hatte den Eindruck, nicht gebraucht zu werden"

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In dieser Woche hat die Bundesregierung Zahlen herausgegeben, die zeigen, dass jeder Dritte seinen Bundesfreiwilligendienst vorzeitig abgebrochen hat. (Foto: Getty Images)

Ein Drittel aller Teilnehmer bricht den Bundesfreiwilligendienst vorzeitig ab. Woran liegt das? Drei Aussteiger berichten.

Von Frederik Eikmanns und Julia Huber

Seit 2011 gibt es den Bundesfreiwilligendienst. Die Teilnehmer, kurz Bufdis genannt, setzen sich ehrenamtlich für soziale, kulturelle oder ökologische Belange ein, arbeiten etwa in Kitas, in Behörden oder im Sportverein. Sie bekommen ein Taschengeld für ihren Einsatz, der zwischen sechs und 18 Monaten dauert. So ist es zumindest vorgesehen. In dieser Woche hat die Bundesregierung Zahlen herausgegeben, die zeigen, dass fast ein Drittel der Freiwilligen vorzeitig abgebrochen hat. Zwischen Juli 2011 und März 2018 quittierten 98 633 Freiwillige den Dienst. Eine Statistik zu den Gründen gibt es nicht. Drei Ex-Bufdis berichten, was sie zum Ausstieg bewegt hat:

"Ich hatte den Eindruck, nicht gebraucht zu werden"

Lena Kruse, 22, München: Nach meinem Abitur im Jahr 2014 wusste ich noch nicht genau, was ich studieren sollte. Deshalb habe ich im September meinen Bundesfreiwilligendienst begonnen. Meine Überlegung war, später vielleicht in einem sozialen Beruf zu arbeiten. In einem Berliner Erstaufnahmeheim für Geflüchtete wollte ich mir anschauen, wie es in diesem Arbeitsfeld so zugeht.

Im Wohnheim gab es Sozialarbeiter und Sozialbetreuer. Die Sozialarbeiter waren Ansprechpartner für die Geflüchteten, sie setzten sich mit den Leuten zusammen, gaben Ratschläge und halfen im täglichen Leben. Das war der Teil der Arbeit, der mir gefallen hätte. Allerdings war ich nicht einem Sozialarbeiter, sondern einem der Betreuer zugeteilt, die hauptsächlich für organisatorische Dinge verantwortlich waren. Für mich bedeutete das vor allem Büroarbeit: Dokumente abstempeln und kopieren zum Beispiel.

Besonders absurd erschien mir das, weil die Bürostellen meiner Meinung nach ausreichend besetzt waren. Ich hatte den Eindruck, dort nicht gebraucht zu werden. Oft konnten die Betreuer rumsitzen und Kaffee trinken. Die Sozialarbeiter waren dagegen immer gestresst und hatten viel zu tun.

Auch der finanzielle Aspekt hat mich gestört: Wir Bufdis haben nur 300 Euro Taschengeld pro Monat bekommen. Zu wenig Geld, wenn man bedenkt, dass ich jeden Tag acht Stunden dort war. Ich komme nicht aus Berlin und musste auch irgendwie die Miete für mein Zimmer bezahlen.

Nach fünf Wochen habe ich deswegen abgebrochen. Ich hatte mir kurz überlegt, in ein anderes Heim zu wechseln, habe diese Idee dann aber wieder verworfen. Stattdessen habe ich das halbe Jahr, in dem ich eigentlich den Freiwilligendienst machen wollte, in verschiedenen Jobs gearbeitet, um ein bisschen Geld zu verdienen. Inzwischen studiere ich in München Mathe und Kunst auf Lehramt.

"Spannende Projekte gab es keine für mich"

Elias Saeidi, 18 Jahre, Karlsruhe: Nach der Schule wusste ich erst nicht wohin mit mir. So landete ich als Bufdi bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), Abteilung IT-Infrastruktur. Wer weiß, dachte ich, vielleicht findest du dort raus, was du willst.

Tatsächlich fand ich schnell heraus, dass ich die Arbeit in der Behörde nicht wollte. Offiziell sollte ich täglich acht Stunden arbeiten. Meine Aufgaben waren aber meist schon nach vier Stunden erledigt: Rechner installieren, Betriebssystem konfigurieren. Neue Computer trug ich ins Büro, alte in den Keller. Manchmal half ich in der Lagerverwaltung - das war's dann aber auch. Spannende Projekte gab es keine für mich. Typisch Behörde eben.

Irgendwann hatte ich keine Lust mehr. Ich fragte, ob ich die Abteilung wechseln kann. Andere Bufdis halfen etwa bei der Messung von Luft- oder Wasserqualität. Sie waren viel draußen unterwegs, das hätte mir auch gefallen. Aber die Verwaltung sperrte sich. Ich durfte nicht tauschen.

Nach einer Weile lernte ich Felix kennen, der seinen Bundesfreiwilligendienst in einer anderen Abteilung machte. Wir wurden Freunde. Ihm gefiel seine Arbeit ebenso wenig wie mir. Er erzählte, dass er hinwerfen wolle, um Urlaub in Südostasien zu machen. Die Vorstellung hörte sich für mich auch attraktiv an. Wir zogen den Plan durch: Nach einem halben Jahr kündigten wir beide unsere Stellen. Bald geht unser Flug nach Südostasien. Bis dahin schreibe ich Bewerbungen für Studienplätze. Ich schwanke zwischen Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen. Vielleicht bringt mich der Urlaub bei der Entscheidung weiter. Beim Reisen lernt man sich bekanntlich am besten kennen.

"Mein BFD hat mir Spaß gemacht"

Carolin Göhler, 29, Halle: Ich werde im Juni meinen Dienst abbrechen. Drei Monate, bevor er eigentlich enden sollte. Das ist mit der Einsatzstelle - dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle - abgesprochen. Ein Jahr lang habe ich dort gearbeitet und meinen Dienst erst vor Kurzem noch einmal verlängert, weil ich dachte, dass ich keine Arbeitsstelle finden würde. Jetzt habe ich aber eine Zusage für einen Job bei der Stadtverwaltung bekommen und ihn auch angenommen. Mein Amt als eine von mehreren Bufdi-Bundessprecherinnen werde ich aber auch in Zukunft weiterführen.

Ich finde, es zählt nicht als Abbrechen, dass ich meinen Freiwilligendienst jetzt beende. Der Dienst soll ja zur Orientierung dienen. Es muss erlaubt sein, aufzuhören, wenn es nicht passt. Für mich war mein Aufenthalt beim Amt für Denkmalpflege vor allem ein Lückenbüßer nach der Uni. Ich hatte dort bereits neben dem Studium gearbeitet, und kannte die gute Arbeitsatmosphäre. Dass die Festangestellten sehr viel mehr Geld bekommen als ich, muss ich akzeptieren. Ist halt so. Mein Dienst hat mir auf jeden Fall Spaß gemacht und tut es noch immer.

Weil ich Denkmalpflege studiert habe, macht sich meine Zeit als Freiwillige im Lebenslauf sogar ganz gut. Außerdem war ich dank meines Studiums für Aufgaben qualifiziert, die andere nicht übernehmen konnten. Die Alternative wäre gewesen, Arbeitslosengeld zu beantragen. Das wollte ich auf keinen Fall. Praktisch war, dass ich als über 27-Jährige meine Arbeitszeit reduzieren konnte und nur 30 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Bufdis unter 27 müssen dagegen 40 Stunden wöchentlich arbeiten. Das muss sich meiner Meinung nach ändern. Ich habe viele Langzeitarbeitslose kennengelernt, die den Dienst einmal alle fünf Jahre für 18 Monate machen dürfen. Ich glaube nicht, dass jemand von ihnen freiwillig abbricht, es sei denn, er findet eine richtige Arbeitsstelle.

© SZ vom 26.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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