Brustimplantate:Geschickt getäuscht

Der BGH beendet den jahrelangen Streit um minderwertige Brustimplantate: Er weist die Klage ab.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die juristische Aufarbeitung des Skandals um Brustimplantate aus minderwertigem Industriesilikon zieht sich bereits seit Jahren hin - nun dürfte sie zu Ende sein. Ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) lässt den betroffenen Frauen kaum noch Aussicht auf eine Entschädigung. Das Gericht hat an diesem Donnerstag die Klage einer Frau aus Ludwigshafen abgewiesen, die sich im Jahr 2008 die Implantate aus der Produktion der inzwischen insolventen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) hatte einsetzen lassen - wie mehr als 5000 Frauen in Deutschland. Nachdem der groß angelegte Betrug vor mehr als sieben Jahren aufgeflogen war, ließ sie sich die Implantate wieder entfernen - was einer klaren Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte entsprach. Sie zog vor Gericht und forderte mindestens 40 000 Euro Schmerzensgeld. Weil bei der Pleitefirma nichts mehr zu holen war, verklagte sie den TÜV Rheinland, der für die Zertifizierung der Produkte zuständig war.

Die Klage der inzwischen 67 Jahre alten Frau sollte sich zum Grundsatzverfahren entwickeln: Der BGH rief den Europäischen Gerichtshof an, um klären zu lassen, ob die europäische Medizinprodukte-Richtlinie eine Haftung hergibt. "Die Anfrage wurde mit einem klaren und eindeutigen Vielleicht beantwortet", fasste der BGH-Senatsvorsitzende Wolfgang Eick das EuGH-Urteil vom Frühjahr zusammen. Denn zur zentralen Frage, welche Prüfpflichten der TÜV eigentlich zu erfüllen hatte, gab der EuGH zwei Antworten. Einerseits gab es keine "generelle" Pflicht, unangemeldete Kontrollen vorzunehmen, Geschäftsunterlagen zu sichten oder die Produkte selbst zu prüfen. Andererseits: Bei konkreten Hinweisen auf unsaubere Praktiken hätte der TÜV der Firma deutlich intensiver zu Leibe rücken müssen als bei seinen zwar zahlreichen, aber stets zuvor angekündigten Besuchen.

Das letzte Wort des BGH fiel nun ernüchternd für die betroffenen Frauen aus. Zwar hatte es, international gesehen, durchaus Hinweise auf minderwertige Implantate gegeben. Ein Bericht aus den USA wies auf Füllungen aus Kochsalzlösung hin, ein britischer Report sprach von Sojaöl. Doch weder waren diese Hinweise auf PIP bezogen noch auf Industriesilikon. Nach der Lesart des BGH bestand für den TÜV Rheinland also keine gesteigerte Kontrollpflicht, weil die Hinweise zu allgemein waren - er konnte es bei seinen zuvor angemeldeten Kontrollbesuchen belassen. In anderen Worten: Aus Sicht des BGH hat die Schwindelfirma PIP auch den TÜV so geschickt getäuscht, dass er keinen Verdacht schöpfen musste. Wahrscheinlich lässt sich aus dem Urteil jedoch auch der Schluss ziehen, dass die Kontrollvorschriften zu lax waren.

Vor Kurzem hat das EU-Parlament einen Beschluss zur Einführung schärferer Kontrollen solcher Medizinprodukte gefällt. Für die betroffenen Frauen kommt das zu spät.

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