Britische Telefonzellen:Kaffee aus dem Häuschen

Erste britische Dörfer übernehmen rote Telefonzellen; Telefonzelle England

Die Telefonzellen in Großbritannien werden nicht überflüssig - sondern umfunktioniert.

(Foto: picture-alliance/dpa)

Zum Telefonieren werden sie nur noch selten genutzt: Die roten Telefonzellen in Großbritannien dienen als Regenschutz, als Fotokulisse - und jetzt auch als Kaffeehäuschen, Bücherei oder Kunstgalerie.

Von Björn Finke, London

Die roten, gusseisernen Telefonzellen gehören zu Großbritannien wie der Afternoon Tea oder das regnerische Wetter. Und sie sind vielseitig einsetzbar: etwa als Unterschlupf bei Schauern. Oder als Fotokulisse; Touristen lassen sich gerne in ihnen ablichten. Oder als Werbefläche für Prostituierte, wobei Häuschen voller Aufkleber mit eindeutigen Angeboten kaum noch zu finden sind.

Zum Telefonieren hingegen werden Zellen im Handy-Zeitalter immer seltener genutzt, weswegen BT, die britische Telekom, Jahr für Jahr Hunderte stilllegt. Zwei Unternehmer aus dem Seebad Brighton schenken den Wahrzeichen des Königreiches nun ein zweites Leben - als Verkaufsstand für Kaffee, Eis und Sandwiches.

Ein Herz für Telefonzellen

Statt eines Telefons hängt in den Häuschen ein Espresso-Automat samt Wassertank, ein Kühlschrank oder eine Eismaschine. Das Duo passte das Design der Geräte für den Einsatz in den engen Zellen an. Im Juni gingen die ersten zwei umgebauten Fernsprecher in Brighton in Betrieb, ein Verkäufer kredenzt dort Kaffee und Eis.

Die Gründer verfolgen ehrgeizige Pläne: "Wir wollen 450 Zellen in Großbritannien umwidmen", sagt Eddie Ottewell, einer der beiden. "Für gut 100 haben wir schon die Anträge gestellt, die meisten davon stehen in London."

BT verkauft die unrentablen Zellen für ein Pfund. Die Telefone kommen raus, die Zellen bleiben an ihrem Platz, und die neuen Eigner müssen sie instand halten. Adopt a Kiosk heißt das 2008 aufgelegte Programm, also: Adoptiere eine Zelle, und bislang wechselten so mehr als 2200 Häuschen den Besitzer. Gemeinden und Initiativen nutzen sie nun als Mini-Büchereien, als winzige Kunstgalerien oder Info-Zentren, oder sie hängen Defibrillatoren zur Rettung von Infarktopfern auf. Und jetzt gibt es eben auch Kaffee und Eis.

Adopt a Kiosk

BT betreibt noch 49 000 Zellen im Königreich, doch allein in diesem Jahr sollen 1500 abgeschaltet werden. "70 Prozent unserer Zellen machen Verlust", klagt eine Sprecherin des börsennotierten Konzerns. Die roten, gusseisernen Zellen mit der Krone unter dem sanft geschwungenen Dach sind inzwischen in der Minderheit: Nur jede fünfte ist eines dieser 1936 designten Modelle namens K6, der Rest sind moderne Nachfolger.

In Deutschland sinkt die Zahl der Telefonzellen ebenfalls seit Jahren, die Deutsche Telekom als größter Anbieter hat noch 40 000. Abgebaute Fernsprecher lagert das Dax-Unternehmen in einem Waldstück südlich von Potsdam, hier können Telefon-Nostalgiker die Zellen kaufen, um sie sich etwa in den Garten zu stellen. Eine Sprecherin sagt, Projekte wie das der zwei Kaffeefreunde aus Brighton gebe es in Deutschland jedoch nicht.

Die beiden Gründer arbeiten bei ihrem Zellen-Abenteuer mit Obdachlosen-Initiativen in den Städten zusammen. Denen wollen sie einen Teil der Umsätze spenden. Außerdem möchten Ottewell und sein Partner Arbeitslose zu Baristi ausbilden, also zu professionellen Kaffeeköchen, die an den ehemaligen Telefonzellen ihr Können zeigen. Für zwei Häuschen im schottischen Edinburgh wäre diese Qualifikation allerdings unnötig: Das Duo will diese zu Schuhputzer-Ständen umwidmen. Ein Schrank mit allem nötigen Zubehör würde eingebaut. Ein sauberes Geschäft.

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