Brasilien:13 Tote bei Schießerei in der Schule

"Eine Horrorszene": In Rio de Janeiro will ein Mann im Portugiesischunterricht einen Vortrag halten. Dann zieht er eine Pistole, tötet zwölf Schüler und schließlich sich selbst. Die Polizei findet einen Abschiedsbrief. Der 24-Jährige hatte seine Tat offenbar eingehend geplant.

Peter Burghardt

Der Mörder kam am Donnerstagmorgen, er kannte die Schule offenbar gut. Wellington Menezes de Oliveira, so hieß es nach dem Massaker, sei früher selbst auf die Escola Municipal Tasso da Silveira am Rande von Rio de Janeiro gegangen. Gegen acht Uhr morgens betrat er das Zimmer im ersten Stock, wo 40 Schüler und Schülerinnen der achten Klasse Portugiesischunterricht hatten. "Er hat gesagt, er würde einen Vortrag halten", berichtete ein Zeuge der Zeitung O Globo. "Ohne zu sprechen hat er dann eine Pistole aus der Tasche gezogen und zu schießen begonnen."

Man killes eleven people at a school

Trauernde Angehörige in Realengo: Ein 24-Jähriger hat in einer Schule in Brasilien zwölf Kinder und dann sich selbst erschossen.

(Foto: dpa)

Er zielte auf die Köpfe, mindestens zwölf Jungen und Mädchen im Alter von zwölf bis 14 Jahren starben sofort oder kurz danach im Krankenhaus, unter ihnen Zwillinge. 18 weitere Kinder wurden zum Teil schwer verletzt. Es war der schlimmste Amoklauf in Rio, der Cidade Maravilhosa, der "wunderbaren Stadt".

Polizei findet Abschiedsbrief

Eine Patrouille wurde alarmiert, ein Polizist entdeckte den Todesschützen im zweiten Stock auf dem Weg in den dritten. Er schoss ihm ins Bein, daraufhin setzte der 24-jährige Menezes seinem Leben mit einem Kopfschuss ein Ende. Laut Behörden hinterließ er einen Abschiedsbrief. Vor einem Jahr war er außerdem zu Besuch am Tatort, was den Verdacht nahelegt, dass er diesen Wahnsinn eingehend geplant hatte.

Einzelheiten des Schreibens wurden zunächst noch nicht bekanntgegeben, aber der Einsatzleiter der Militärpolizei nannte den Inhalt "fundamentalistisch". Auch soll Menezes erwähnt habe, dass er aidskrank gewesen sei. Er galt dem Vernehmen nach als Außenseiter. Angesichts der Schießerei verbarrikadierten Lehrer die Türen anderer Zimmer mit Stühlen, andere Schüler flüchteten.

Nachbarn erzählten von blutüberströmten Toten und von Überlebenden, die auf Bahren und an den Händen von Polizisten, Sanitätern und Feuerwehrleuten nach draußen gebracht worden seien. "Es waren viele Schüsse. Ich kann nicht sagen, wie lange es gedauert hat, vielleicht fünf Minuten, dann kamen Krankenwagen und Polizeiautos", sagte eine Anwohnerin. "Eine Horrorszene", schilderte eine andere. "Ich selbst habe die Körper zweier toter Mädchen mit Kopfschüssen getragen."

"Ein Psychopath, ein Tier"

Eltern, die ihre Söhne und Töchter hatten abholen wollen, mussten Leichen identifizieren. In den Hospitälern wurde um Blutspenden gebeten. Bürgermeister Eduardo Paes eilte herbei. Präsidentin Dilma Rousseff erklärte, sie sei schockiert und erließ drei Tage Staatstrauer. Für Gouverneur Sergio Cabral war der Täter "ein Psychopath, ein Tier". "Ein terroristisches Attentat", findet Senatschef José Sarney. Die Menschen in Brasilien fragen sich, wie dieses Gemetzel passieren konnte.

Die Escola Municipal Tasso da Silveira liegt im Stadtteil Realengo, in den Ausläufern von Rio. Sie gilt als gute Schule, die Gegend als durchschnittlich. Viele Angehörige des Militärs wohnen in diesem Viertel. Ansonsten wird der Westen der Metropole vielfach von Milizen beherrscht, unter ihnen ehemaligen Polizisten. Waffen und Schießereien sind in Rio an der Tagesordnung, unter der Gewalt leiden indes vor allem die Armenviertel, die Favelas. Der Vorstoß von Menschenrechtlern, den Gebrauch von Mordwerkzeugen stärker zu beschränken, wurde in einer Volksabstimmung landesweit abgelehnt. Die Stadt unter dem Zuckerhut hat auch deshalb immer noch eine hohe Mordrate, obwohl der Terror zuletzt rückläufig war. Die Drogenmafia wurde mit erheblichem Polizeieinsatz abgedrängt, manche Favelas gelten als befriedet. Auch wird angesichts von Brasiliens Wirtschaftsboom viel investiert.

Ein Blutbad in der Schule ist für Brasilien neu. Dabei soll Rio gerade schön werden für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016. Zehntausende Touristen und viele Bewohner lieben schon längst die Strände von Copacabana und Ipanema. Jetzt erlebt Rio eine Tragödie im Hinterland. "Alô, alô Realengo, aquele abraco", sang der Sänger Gilberto Gil, bis vor einiger Zeit brasilianischer Kulturminister. "Hallo, hallo Realengo, diese Umarmung." Nun bleibt Realengo erst einmal nur Trauer.

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