Brand in Ludwigshafen:Tränen, Hass und mahnende Worte

Nach dem Brand in einem von Türken bewohnten Haus in Ludwigshafen ist die Stimmung angespannt - bei der Feuerwehr, bei Deutschen und Türken.

Bernd Dörries

Murat Isik steht vor dem ausgebrannten Haus am Danziger Platz. Er hat die schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und trägt die blaue Uniform der Feuerwehr. Neben ihm rattert ein Stromaggregat und vor ihm steht ein Pulk türkischer Journalisten, Bürger und Vertreter von Vereinen.

Ludwigshafen nach dem Brand

Ludwigshafen nach dem Brand: Trauer und viele Fragen

(Foto: Foto: Reuters)

Gerade noch hat sein Chef gesagt, der Herr Isik sei derzeit einer seiner wichtigsten Männer. Es geht dabei nicht darum, einen Brand zu löschen. Zumindest nicht den ihm Haus hinter ihm.

"Vier Minuten", sagt Murat Isik immer wieder. Mal im Pfälzer Dialekt, mal auf Türkisch. So lange habe die Feuerwehr gebraucht, um nach dem ersten Notruf am Unglücksort zu sein. Dann hebt er die Hand, spreizt vier Finger ab und schaut den Menschen vor ihm in die Augen. Murat Isik tut sein Bestes, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Obwohl hinter ihm schon lange kein Feuer mehr brennt.

Vier Tage sind nun vergangen nach dem Brand, bei dem am Sonntag neun Menschen ums Leben kamen, Türken, die in dem Haus am Danziger Platz gewohnt haben, unter ihnen auch solche der alevitischen Minderheit.

Vier Tage sind vergangen und hinter den Absperrgittern wartet eine Menschenmenge auf Antworten, die es bisher nicht gibt. Vor allem in der türkischen Boulevardpresse war der Feuerwehr von Ludwigshafen vorgeworfen worden, zu spät am Unglücksort gewesen zu sein. Seitdem ist ihr Chef Peter Friedrich vor allem damit beschäftigt, das Gegenteil zu beweisen.

Es war einfach zu viel

Friedrich hat die Zeiten in den Computern der Einsatzzentrale nachgerechnet und ist auf vier Minuten gekommen, länger hätten die großen Löschzüge zum Einsatzort nicht gebraucht. Nicht 20 Minuten wie mancherorts behauptet wurde. Auch am Mittwoch redet Friedrich wieder auf die Menschen ein, erzählt, dass seine Leute ihr Leben riskiert hätten um anderes zu retten. Er sagt das noch sehr ruhig. Etwas später bricht er in Tränen aus und geht die Straße hinunter, Oberbürgermeisterin Eva Lohse nimmt ihn in den Arm. Es war einfach zu viel in den vergangenen Tagen.

Am frühen Mittwochmorgen war ein 49-Jähriger Feuerwehrmann in Ludwigshafen von einem türkischen Mann zusammengeschlagen worden. Zuvor hatte er dem Feuerwehrmann vorgeworfen, seine Kollegen seien zu spät gekommen, sagt ein Polizeisprecher. Die Stimmung ist angespannt in Ludwigshafen. Bei der Feuerwehr, bei Deutschen und Türken.

Tränen, Hass und mahnende Worte

Es gibt aber auch Menschen wie Adnan Kaplan, die versuchen, zu beruhigen. Kaplan kannte viele, die in dem Haus gewohnt haben. Er sagt, er sei zum Unglücksort gekommen, um sich bei der Feuerwehr zu bedanken und bei den Behörden, die ihre Hilfe angeboten haben.

Vor der Ruine hinter ihm packt das Technische Hilfswerk seine Ausrüstung zusammen. Das Gebäude ist nicht mehr akut einsturzgefährdet, die Ermittler können jetzt endlich das Haus betreten, um nach der Brandursache zu suchen. Nach der Antwort auf die Frage, ob es sich um ein Unglück handelte, einen technischen Defekt, oder einen Anschlag.

Unterstützt werden sie von vier türkischen Ermittlern, die bereits in Ludwigshafen eingetroffen sind. Ein siebenjähriges türkisches Mädchen hatte berichtet, sie habe am Tag des Brandes einen Mann im Treppenhaus gesehen, der einen Kinderwagen angezündet habe. Die Polizei hat sie vernommen, überlegt ein Phantombild anzufertigen. "Es wird nichts ausgeschlossen und in alle Richtungen ermittelt", sagen Polizei und Staatsanwaltschaft.

Die eine Richtung ist an der Wand des ausgebrannten Hauses zu besichtigen. "Hass" hat jemand dort hingesprüht, mit SS-Runen. Die Polizei sagt, das Graffiti sei schon vor dem Brand da gewesen. Das Haus am Danziger Platz hat eine Geschichte, vor 15 Jahren galt es als Treffpunkt Rechtsradikaler, vor zwei Jahren, als es schon von Türken bewohnt war, wurden zwei Brandsätze durch ein Fenster geworfen. Schaden entstand keiner, die Täter wurden nie gefasst.

Vor dem Haus stehen am Mittwoch Politiker und Leute von Vereinen, die nun versuchen zu verhindern, dass in Ludwigshafen ein neuer Brandherd entsteht. Martin Stadelmaier, der Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz sagt, es sei nicht gut für die Ermittlungsarbeit, "wenn die Dinge zu heiß anfasst werden" und die Boulevardpresse die Situation "befeuert". Stadelmaier ist sich wohl seiner Worte nicht bewusst. Es ist das übliche politische Vokabular, aber heute sicherlich der falsche Ort dafür.

Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte des Bundesregierung ist aus Berlin gekommen und der türkische Staatsminister Mustafa Sait Yazicioglu, zuständig für die Auslandstürken, ist aus Ankara angereist. Böhmer sagt, sie sei hier, um das "Leid zu teilen". Sie glaube, das Zusammenleben von Deutschen und Türken in Ludwigshafen sei allgemein gut. Das trage "auch in einer solch bitteren Situation".

Zumindest Zeichen gibt es dafür, dass dem so ist. Viele Bürger der Stadt haben sich in das Kondolenzbuch eingetragen, das im Foyer des Rathauses ausliegt, sie haben gespendet und den Hinterbliebenen der Katastrophe Wohnraum angeboten. Die Fußballer von Waldhof haben ein Benefizspiel angeboten, wie andere Vereine auch.

Maria Böhmer legt zusammen mit Yazicioglu einen Kranz für die Opfer nieder. Dann trennen sich die beiden wieder. Böhmer spricht in die Mikrofone der deutschen Journalisten, Yazicioglu steht vor den Kameras türkischer Fernsehsender, die live aus Ludwigshafen berichten. Jede Gruppe steht wieder für sich. Die Botschaft ist aber die gleiche. Yazicioglu sagt, es müsse nun Ruhe bewahrt und die Ermittlungsergebnisse abgewartet werden. Wenn dies gelänge, wäre das schon eine ganze Menge.

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