Boris Johnsons Liebe zu Berlin:Plötzlich geht es nur noch um Sex

Boris Johnson London Bürgermeister

Diesmal darf sich Boris Johnson an den Kopf greifen - für die deutsche Reaktion auf seine Liebeserklärung.

(Foto: dpa)

Eigentlich wollte Boris Johnson Berlin einfach nur seine Liebe gestehen. Doch nun wird aus der Romanze zwischen dem Londoner Bürgermeister und der deutschen Hauptstadt eine Schmierenkomödie. Schuld ist auch die Bundesagentur für Arbeit.

Von Antonie Rietzschel

Boris Johnson ist verliebt. In seinem Herzen, das wohl vor allem mit Zuneigung für sich selbst gefüllt ist, hat der exzentrische Bürgermeister von London Platz für die Deutschen gemacht. Genauer gesagt für ihre Hauptstadt Berlin.

Ein kurzer Trip mit Easyjet hat gereicht und puff - hat es gefunkt. So sehr, dass Johnson in der britischen Zeitung The Telegraph eine Liebeserklärung veröffentlichte. Was er so an der Stadt liebt? Reichhaltige Wurstplatten mit Kartoffeln, Mädchen, die Selbstgedrehte rauchen und Erdbeeren verteilen, ältere Herren, die im Freien ihre Fitnessübungen vollführen, sowie den blauen Himmel und das satte Grün der Eichen - genau in dieser Reihenfolge.

Doch die Romanze zwischen Boris Johnson und Berlin ist mittlerweile zu einer Schmierenkomödie verkommen. Denn auf deutscher Seite kann man mit dem Lob nicht so richtig umgehen, wie die Reaktion der Bundesagentur für Arbeit zeigt. Sie hat sich an einem kleinen Absatz in Johnsons Text festgebissen:

"The most serious public order problem at the moment is the tendency of Berliners to pursue the logic of their Freikörpeskultur [sic!] by actually fornicating in their many magnificent parks; and such is the climate of political correctness that they decided to means-test the fines. So if you are caught in flagrante in the bushes, and you have a job, you get fined 150 euros — but only 34 euros if you are unemployed."

Was? Im Freien kopulierende Hartz-IV-Empfänger müssen weniger Strafe bezahlen? Geht gar nicht, findet die Bundesagentur - oder zumindest eine ihrer Sprecherinnen. Die sagte nämlich der Bild-Zeitung:

"Das setzt falsche Anreize und spaltet die Gesellschaft. Im Straßenverkehr gibt es ja auch nur einen Bußgeldkatalog."

Nichts zu befürchten

Diesem Urteil möchte sich eine ihrer Kolleginnen jedoch nicht anschließen: "Es ist nicht Sache der Bundesagentur, dies zu beurteilen, denn es hat rein gar nichts mit Hartz IV zu tun. Das ist Sache des Berliner Senats", sagt eine Sprecherin am Telefon zu Süddeutsche.de. Dass Boris Johnson diese Regelung dagegen gut findet, ist nicht zu übersehen: "Wenn das keine Toleranz ist, weiß ich auch nicht", schreibt er im Telegraph.

Zugegeben, Johnsons Liebeserklärung ist nicht ganz ironiefrei. Ein Glück für die Berliner, dass er nichts von dem Skandal um den neuen Flughafen mitbekommen zu haben scheint und sich wohl vor allem im Tiergarten oder am Wannsee herumgetrieben hat statt im Bionadebiedermeierviertel Prenzlauer Berg. Gleichzeitig schwingt ernsthafte Begeisterung mit. Zum Beispiel über die Fahrradkultur in Berlin:

"I see a paradise for cyclists, where the helmetless hordes weave and wobble over the wide and tree-lined roads."

Fahrradfahrer liegen auch Johnson besonders am Herzen. 2010 startete in London ein flächendeckender Fahrrad-Verleih, das System heißt dem Initiator zu Ehren auch Boris Bikes. Vor wenigen Wochen stellte er seine "Vision 2020" für die britische Hauptstadt vor. Der Untertitel: "Die großartigste Stadt der Welt". Geplant sind neue Baukonzepte und ein besseres Nahverkehrssystem - aber auch Fahrradwege, die Highways gleichen. In Berlin fand sich Johnson in diesem Plan wohl bestätigt.

Toleranz, Paradies - Johnsons Großvater hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass sein Enkel Deutschland mal so beschreiben würde. Der Weltkriegs-Veteran hatte Johnson immer wieder eingebläut, dass man den Deutschen nicht trauen dürfe. "Was immer wir tun", soll er gesagt haben, "wir müssen verhindern, dass die Deutschen sich wieder vereinen."

Jahrzehnte später kommt der Enkel zurück und urteilt: "Wir haben nichts zu befürchten." Das schreibt er über ein Land, in dem sich eine Bundesagentur uneins darüber ist, ob Hartz-IV-Empfänger weniger Strafe für Sex im Freien zahlen sollen oder nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: