BMG:Nun flog auch Musikchef Thomas Stein

Drei Tage im Januar. Drei Tage mit spektakulären Rauswürfen in einer krisengeschüttelten Branche, deren CD-Verkäufe abstürzen wie heiß gelaufene Computer beim exzessiven Herunterladen von digitalen Musiktiteln.

Mittwoch. Bei der Bertelsmann Music Group (BMG) in New York fliegt Antonio "LA" Reid. Der bullige Mann hat Pink und Whitney Houston gefördert und war oft in weißem Smoking und schweren Stretch-Limousinen zu bewundern, sorgte zuletzt aber für Verlust und immer weniger Hits.

Donnerstag. In der Berliner Deutschland-Zentrale des Weltmarktführers Universal Music muss Tim Renner, 39, gehen. Der dynamische Top-Manager setzte auf Innovationen und zerstritt sich mit dem internationalen Chef Jorgen Larsen, 62, der den teutonischen Ableger offenbar zum bloßen Befehlsempfänger degradieren will.

Freitag. In München wird verkündet, dass BMG-Deutschland-Chef Thomas Stein, 54, "mit sofortiger Wirkung als President Deutschland, Schweiz, Österreich zurück tritt". Immerhin: Der Mann darf im Konzern als scheinwerfer-affines Jurymitglied der RTL-Musikshow Deutschland sucht den Superstar weiter machen.

Eins, zwei, drei. Drei Tage im Januar. Drei Tage mit spektakulären Rauswürfen in einer krisengeschüttelten Branche, deren CD-Verkäufe abstürzen wie heiß gelaufene Computer beim exzessiven Herunterladen von digitalen Musiktiteln. Früher waren die Führungskräfte das Musikmarktes selbstbewusste Fürsten, die Glamour und Luxus anzogen, und die genügend Narrenfreiheit hatten, um mit schwierigen Künstlern im Studio zu handfesten Ergebnissen zu kommen. Doch dann verloren sie ihre Kundschaft aus dem Blick und damit die Profitabilität. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse.

Bei dem zuletzt geschassten Tonmeister Stein gab wohl mangelndes Kostenbewusstsein den Ausschlag, wie Insider andeuten. Der Mann, der einst die CD-Preise auf 25 Euro hochschrauben wollte ("So kostbar wie ein gutes Buch"), lebte einfach im Glanz der vergangenen Jahre weiter. Hinzu kam, dass sich der Schwabe durch seine RTL-Auftritte an der Seite von Dieter Bohlen zeitweise wohl für unberührbar hielt.

Selbst als er mit den Slippers schnippte, um einen Stepptänzer zu mimen, applaudierten die treuen Superstar-Fans ihrem "Onkel Stein", dem Oldie der RTL-Jugendbewegung. Was für ein Leben! Vom SZ-Magazin wurde er noch im August als "Papa Pop" gefeiert, als "mächtigster Manager im Musikgeschäft", der im goldenen MercedesS500 mit Fahrer oder mit seiner mächtigen Harley-Davidson durch die Gegend kurvte und seine Frau "Steinchen" nennt.

Bei BMG fehlt es nicht an Bewegung. Die Mutter in New York will mit Sony Music fusionieren, weitere Jobs stehen dann auf der Kippe. Und nun ist auch Stein, der ewige Chef, seinen Posten los. Sein Büro hat er schon geräumt, auf dem Weg nach Köln zur Superstar-Aufzeichnung wirkte er gefasst. Vielleicht entwickelt er ja Formate für RTL. Der Holländer Maarten Steinkamp, 41, kümmert sich jetzt ums deutsche Geschäft. Der BMG-Mann, von New York aus zuständig für Asien, Europa und Lateinamerika, kommt eingeflogen.

Tim Renner aber hat neue Pläne: Er drängt in die Politik. Mitte der Woche war er in der SPD-Bundestagsfraktion zu Gast, demnächst steht ein Termin bei Kanzler Gerhard Schröder an. Eine Option: Vielleicht wird er Pop-Beauftragter der Regierung.

SZ v. 17./18.1.2004

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