Bizarre Ortsnamen:Schlaflos in Petting

Es gibt Menschen, die leben in "Lederhose" und "Linsengericht", arbeiten in "Aua" und "Kuhfraß". Doch woher kommen diese ungewöhnlichen Ortsnamen?

Ines Schipperges

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Es gibt Menschen, die leben in "Lederhose" und "Linsengericht", arbeiten in "Aua" und "Kuhfraß". Doch woher kommen diese ungewöhnlichen Ortsnamen?

Lederhose

Eigentlich verbindet man die Lederhose mit bajuwarischer Lebensart. Doch der Ort diesen Namens findet sich nicht im Freistaat Bayern, sondern Thüringen. Das kleidsame Stück schmückt in Gold und Grün das Wappen. Dennoch hat die Bezeichnung nichts mit der Tracht zu tun.

Der Ort entstand Anfang des 12. Jahrhunderts als slawische Siedlung und wurde zunächst als "Lidoraz", "Ledoraz" und "Ludoraz" benannt. Ein Mann namens "Ludorad" ("Volksfreund"), wahrscheinlich ein sorbischer Fürst, soll das Dorf als seinen Wohnsitz erwählt haben.

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Blödesheim und Deppenhausen

Wer Deppenhausen für das moderne Schilda hält, ist auf dem Holzweg. Dass in der Gemeinde, die zur baden-württembergischen Stadt Ehingen gehört, nur Deppen hausen, wird niemand ernsthaft annehmen. Historiker Wolf-Henning Petershagen versucht, in seinem Buch der "Wahrheit über Deppenhausen" auf die Schliche zu kommen.

Die Einwohner von Blödesheim wurden in der ProSieben-Sendung "TV Total" auf die Schippe genommen. Dabei taufte man Blödesheim bereits 1971 in Hochborn um. Eben um das rheinhessische Städtchen vor Spott zu bewahren.

Tatsächlich ist auch der abgelegte Name durchaus seriösen Ursprungs: Urkundliche Erwähnung fand der Ort zum ersten Mal 782. Da wurde dem Kloster Lorsch am Rhein in Form einer Wiese nebst Ackerland eine Schenkung durch Theo und Anthilde von Blatmarsheim zuteil wurde.

Welche Folgen dieses Geschenk haben sollte, ahnte zu dem Zeitpunkt sicherlich keiner: Aus Blatmarsheim wurde Blittersheim, Blettenesheim und Bledinsheim. Später hieß der Ort Plödesheim und seit 1613 Blödesheim. Das wurde den Einwohnern schließlich zu viel: mit Hochborn fanden sie ihren Frieden und guten Ruf wieder.

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Amerika

Amerikanische Städte tragen die Namen Hamburg, Stuttgart oder Dresden. Und wo bleibt die Revanche?

In Deutschland gibt es mehrere Orte und Siedlungen namens Klein-Amerika - ein Hinweis auf ehemalige Bewohner, die es in die Neue Welt zog. Sachsens Amerika zählt rund hundert Einwohner und gehört zu der Stadt Penig.

Idyllisch und ruhig soll Amerika sein; fernab urbaner Hektik liegt es mitten im Wald der Zwickauer Mulde und wird angepriesen als der ideale Erholungsort für Naturliebhaber, die dem Großstadtstress entfliehen wollen.

Den Namen erhielt der Ort, als im 19. Jahrhundert eine an der Mulde gelegene Spinnerei entstand, die nur mithilfe von Steinen oder mit dem Boot zu erreichen war. Die Arbeiter zogen also wortwörtlich über den Teich. Die Besucher wiederum mussten die am Ufer der Mulde versteckte Fabrik, wie einst Kolumbus Amerika, "entdecken".

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Sommerloch

Der Name des Ortes erinnert an den Schrecken aller Journalisten - dabei macht das von Weinbergen umgebene Örtchen einen harmlosen und malerisch-beschaulichen Eindruck.

Der Name ist eine Ableitung des mittelalterlichen "Summerlachen", womit auf die Verbindung zu einer feuchten Mulde hingewiesen wird. Das Dorf wurde erstmals Anfang des 12. Jahrhunderts als klösterliches Besitztum erwähnt. Von den Medien wird es zu Unrecht mit Argwohn beäugt: Im Sommerloch kann man sich nichts Schlimmeres als nasse Füße holen.

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Himmelreich und Himmelpforten

In Deutschland gibt es mehrere Orte himmlischen Namens. Und sie alle wollen die Heimat des Weihnachtsmannes sein. Himmelreich, ein Stadtteil von Neustadt, liegt zwischen Bremen und Hannover.

Wie eine Legende erzählt, bezeichneten Reisende, deren Weg durch ein finsteres Moor führte, dieses kleine, aber feine Grüppchen Häuser als "Himmelreich" - voller Erleichterung, hier auf menschliches Leben zu treffen.

Himmelpforten wiederum ist eine niedersächsische Gemeinde, die mit dem Slogan wirbt: "Der Himmel auf Erden!" Auch dieses Dorf beherbergt angeblich Christkind und Weihnachtsmann.

Den himmlischen Segen erhielten die Einwohner durch Ordensschwestern, die 1255 in den Ort zogen und ihrem Kloster den Namen "Porta Coeli" (Himmelpforten) gaben.

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Aua

Weit weniger himmlisch erscheint Aua, ein Ortsteil der hessischen Gemeinde Neuenstein.

Auch dieser Name ist bei genauerer Betrachtung harmlos. Aua hat nichts mit schmerzgeplagten Bewohnern zu tun, sondern fand 852 erstmals als Owe Erwähnung.

Eine Owe wiederum ist eine Au. So bezeichnet der Name des mittelhochdeutschen Epikers Hartmann von Aue zugleich seine Herkunft: Er nennt sich einen "dienstman zOuwe" (sic!), ein Lehnsmann zu Aue also.

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Elend

Ähnlich unerfreulich ist der Name des Örtchens Elend - aber nur auf den ersten Blick. Denn: Der Ortsteil der bayerischen Stadt Wasserburg war vor mehreren hundert Jahren als Wallfahrtsort sehr beliebt.

Der Sage nach soll ein im Inn schwimmendes Holzkreuz dazu beigetragen haben, dass die Einwohner von der Pest verschont blieben - indem das Kreuz auf Höhe des Ortes lauthals "Elend, oh Elend" schrie.

Das sprechende Kreuz war bis vor Jahren in einer Kirche von Elend zu bewundern und wurde dann aufgrund eines Hochwassers in den Nachbarort Attel umquartiert. Ob es jemals wieder von seiner Sprachbegabung Gebrauch gemacht hat, ist nicht bekannt.

Mit einer etwas nüchterneren Erklärung wartet die Gemeinde Elend im Bodetal auf. Der Name "eli elendi" bedeutet "das fremde Land" und soll von mittelalterlichen Mönchen stammen, die das Dorf auf ihren Pilgerwanderungen nach Rom bereisten.

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Abentheuer

Verheißungsvoll lockt Abentheuer - bis man auf der Homepage des rheinland-pfälzischen Örtchens liest: "Einzigartig an unserem Dorf ist der Name. Ansonsten ist Abentheuer ein Dorf wie viele andere auch." Und schon packt man seine Koffer wieder aus.

Die Herkunft des Namens ist viel diskutiert, bis heute jedoch ungewiss. 1350 zum ersten Mal erwähnt, sind zahlreiche Deutungen möglich. Wurde aus dem sich zur Nacht schließenden Abendtor das Abentheuer? Ist es die abends ausgezahlte Heuer, die dem Dorf seinen Namen gab? Oder stand hier der Wasserlauf - keltisch: "Aber" - Pate?

Zumindest das Rätseln um den Namensursprung entpuppt sich, nun ja, als Abenteuer.

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Bad Sülze

Bad Sülze liegt zwischen Greifswald und Stralsund. Die Stadt blickt auf eine lange Geschichte als Saline-Standort zurück. Die salzhaltigen Moore um Bad Sülze herum ebenso wie die unterirdischen Solequellen gaben dem Ort seinen Namen: Das Wort "Sülze" kommt von "Sulta", dem Salz.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts existierte dort ein riesiges Salzwerk und auch als ältestes Solbad Norddeutschlands erlangte die Stadt Bekanntheit.

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Linsengericht

Als Leckerbissen unter den Ortsnamen darf die Gemeinde Linsengericht nicht vergessen werden. Birkenhain sollte sie ursprünglich heißen - doch die hessische Landesbehörde gab dem schmackhafteren Namen den Vorzug.

Der Name der hessischen Gemeinde wurde 1240 zum ersten Mal genannt. Etymologisch gibt es einige Varianten: Vermutlich ist mit dem "Gericht" nicht die Mahlzeit, sondern die Rechtsprechung eines freien Gerichtes gemeint.

Um "keine Linse" soll die Justiz damals von der Gesetzgebung abgewichen sein. Denkbar wäre auch der Hinweis auf den üppigen Linsenanbau innerhalb der Gemeinde - eine Theorie, die durch heute noch verwendete Flurbezeichnungen wie Linsenacker oder Linsenrain unterstützt wird.

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Kuhfraß

Weniger appetitanregend ist der Ort Kuhfraß. Kein Wunder, dass er nur rund hundert Einwohner zählt. Das Dorf gehört zur Thüringer Gemeinde Uhlstädt-Kirchhasel. Den Mittelpunkt der Ortschaft bildet das Gut Kochberg, das 1825 zum Jagdschloss Hirschhügel umgebaut wurde. Vom Familienwohnsitz wurde das Schloss zum Kinderlandheim, vom Kinderlandheim zu Altersheim und psychiatrischem Pflegeheim. Die Heimbewohner machen den Großteil der Kuhfraß-Bewohner aus.

Der Name Kuhfraß stammt von der Bezeichnung einer zum damaligen Ort Weiler gehörigen Kuhweide. In einem Dokument aus dem frühen 15. Jahrhundert ist die Rede von einer Wiese "in dem Kuefraße".

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Grünkraut

Ein Synonym für Kuhfraß ginge Grünkraut durch - der Name einer oberschwäbischen Gemeinde.

Als "Gruonechrut" wurde sie Anfang des 13. Jahrhunderts erwähnt. "Chrut könnte von dem Rodungsnamen "Greut" abgeleitet sein, nähere Hinweise gibt es allerdings nicht.

Ein Jugendbuch aus dem Jahre 1855 ("Ekkehard" von Joseph Victor von Scheffel) erlaubt eine weitere Theorie. Dort wird von dem Rechtsbrauch des "Grünen Krautes" erzählt: Die Übergabe eines grasbewachsenen Erdstückes symbolisiert den Besitzerwechsel eines Grundstücks.

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Siehdichfür

Die Ortschaft Siehdichfür gehört zur Gemeinde Oberreichenbach im nördlichen Schwarzwald.

Heute gilt Siehdichfür als friedlicher Ort, doch bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die ortsquerende "Alte Badstraße" von Hirsau nach Wildbad für die zahlreichen Überfälle auf Reisende berüchtigt.

Die Hauptverbindung nutzte auch Graf Eberhard von Württemberg für seine Fahrten ins Staatsbad. Als fette Beute für die auf der Lauer liegenden Wegelagerer soll er vor den Gefahren der Reise gewarnt worden sein: Sieh dich vor!

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Berlinchen

Der Ort Berlinchen gehört zu Wittstock. Die brandenburgische Kleinstadt entwickelte sich aus einer slawischen Siedlung heraus und auch Berlinchen wurde, was die typische Bauweise noch erkennen lässt.

Als "minoris Berlin", als "kleines Berlin" also, wurde das Dorf erstmals Ende des 13. Jahrhunderts aufgeführt und später in "lutteken berlyn" und "Berlinichen" umgetauft. Die Verkleinerungsform erfolgte zur Unterscheidung zum heute nicht mehr existierenden Ort Groß Berlin.

Mit seinen 300 Einwohnern ist das Dorf zwar nicht einmal ein Zehntausendstel der deutschen Hauptstadt groß. Beide Namen haben jedoch denselben Ursprung. Das wendische Wort "berl" weist auf eine feuchte und morastige Gegend hin. Berlinchen wurde auf einem von Sümpfen umgegeben Hügel erbaut, während in Berlin damit der feuchte Untergrund an den Ufern der Spree bezeichnet wurde.

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Lieblos

Der Name dieses Ortes weist nicht auf emotionale Mängel seiner Bewohner hin, sondern vielmehr auf eine Person namens Libila, die wahrscheinlich Gründer des Ortes war.

Anfang des 12. Jahrhunderts findet der Ort folgerichtig als Libelas Nennung und wechselt von Liblas und Livela über Liebeloz, Lybleleß und Lieblis bis hin zur irreführenden Bezeichnung Lieblos.

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Herzsprung

Der Name Herzsprung ist in Deutschland als Ortsname sehr beliebt.

Die rationale Erklärung leitet den schönen Namen vom Niederdeutschen ab, als den "Ort, an dem der Hirsch (Hirz) zur Quelle geht".

Kreativer und grausiger zugleich ist eine Sage der Angermünder: Ein Mädchen soll ihren Geliebten dazu gebracht haben, seine Mutter zu töten und ihr das Herz aus dem Leibe zu reißen. Auf dem Weg zu seinem Mädchen stolperte der junge Mann mit der Beute im Arm und das Dorf, in dem dies geschah, sollte fortan Herzsprung heißen.

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Petting

In Oberbayern liegt Petting, wo es auch nicht heißer zugeht als im Rest der Republik.

Die Namensgebung, die falsche Schlüsse zulassen könnte, hat ihren Ursprung in der Eiszeit: Der Name Petting weist auf einen Ort hin, der einem Zu- und Abfluss des Wassers unterworfen ist.

Die Gemeinde soll auf einer Anschwemmung aus der letzten Eiszeit erbaut worden sein und war vermutlich eine Insel. Während die Umgebung unter Wasser stand, galt Petting als geschützter Zufluchtsort.

Die erste urkundliche Erwähnung findet der Ort Anfang des 11. Jahrhunderts als "Pettinga". Angeblich gehörte zu Petting auch eine Burg, die im Besitz eines Edelgeschlechts namens "von Pettingen" war.

Fotomontage: sueddeutsche.de /mmk

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