Bischof Tebartz-van Elst in Limburg:Glaube und Glaubwürdigkeit

Lesezeit: 6 min

Gottesdienst im Limburger Dom: Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst (Foto: dpa)

So geht es nicht mehr weiter - das sagen selbst hochrangige Kirchenvertreter. Was ist los mit Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst? Selbstverliebter Verschwender oder Opfer einer Medienkampagne? Das Bistum Limburg ist gespalten. Ein Besuch vor Ort.

Von Matthias Drobinski, Limburg

Der Ort des Anstoßes thront oben auf dem Berg über der Stadt, dem Dom direkt gegenüber. Es strahlt dort eines der typischen hessischen Fachwerkhäuser in Weiß und Rot, die Alte Vikarie ist wieder zum Leben erwacht. Dahinter schneidet glatt und abweisend ein schiefergraues Dach in den Himmel - die Bischofskapelle. Man würde sich nicht wundern, wenn da oben eine Luke aufginge und ein Periskop, wie man es von U-Booten kennt, würde misstrauisch auf die Leute schauen, die vor dem Eingangsgitter stehen und zu der schweren Bronzewand mit dem Wappen des Bischofs von Limburg spähen.

Zwei ältere Frauen. Die eine: "So groß is des ja gar net." Die andere: "Aber dem neue Papst würds net gefalle." Ein Urlauber-Paar in Radlerhosen. Er: "Hm." Sie: "Das passt doch gar nicht zusammen." Ein Stadtführer lässt, bevor es in den Dom geht, die Gruppe halten: In Limburg sei man froh, dass die Alte Vikarie gerettet ist, das Fachwerk hätte gefault, das Haus sich geneigt, "und wenn die Kirche baut, dann baut sie für die Ewigkeit", ruft er über den Platz. Ein paar Touristen lachen.

Das neue Haus des Bischofs. Statt 5,5 soll es nun 20 Millionen Euro kosten, und keiner, der nach Limburg kommt, entkommt dem Thema: Was ist los mit Franz-Peter Tebartz-van Elst, dem Bischof von Limburg? Dem Verschwender, dem selbstbezogenen Narziss? Dem freundlichen und frommen Mann, der Opfer einer Medienkampagne geworden ist? All das kann man hören, wenn man nach Limburg reist und zu verstehen versucht, was da passiert.

"Er kämpft", sagt einer, der ihn kennt

Der Bischof selber ist zuletzt am Mittwoch öffentlich aufgetreten, das Bistum feiert die "Kreuzwoche", das Diözesanfest. Tebartz-van Elst wirkte noch dünner und knochiger als sonst; er predigte übers Aushalten, wie Jesus sogar den Tod ausgehalten habe. Man ahnte, dass hier auch jemand über sich selber redete. Mit Journalisten möchte er zurzeit nicht reden.

"Er kämpft", sagt einer, der ihn kennt. Aber auch, dass er zweifelt, wie weit ihm das helfen wird. Und wenn man mit Menschen aus dem Bistum redet, merkt man: Es geht um mehr als um die Frage, ob nun der Denkmalschutz oder die Extravaganz des Bischofs verantwortlich ist für die Kostenexplosion. Es geht um Enttäuschung und Entfremdung, um die Geschichte des Bistums und letztlich darum, wie ein Bischof sein sollte und überhaupt die Kirche. Auch deshalb ist nun Kardinal Giovanni Lajolo aus Rom in der Stadt, als "brüderlicher Besucher" mindestens noch bis Sonntag, und spricht mit vielen Leuten: Im Vatikan hat man erkannt, wie ernst die Sache ist.

Da ist der heillose Streit um die Details des Baus. Bis heute erklärt das Bistum nicht genau, wie er finanziert wird. Die Kostensteigerungen wurden erst zugegeben, als sie schon in der Zeitung standen, und der bizarre Streit um die Frage, was nun im Brunnen im Innenhof schwimmt, steht fürs Ganze der Auseinandersetzung: teure Koi-Karpfen, schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Goldfische, korrigierte die Pressestelle empört. Nun erzählen gut informierte Menschen: Die Tiere seien rasch umgeteicht worden.

Wie auch immer: Es erklärt, warum es im Bistum Limburg Katholiken gibt, die ihren Bischof für einen Lügner halten. Und die es nicht überrascht, wie Tebartz-van Elst sich mit dem Spieg el gestritten hat, ob er nun in der Ersten Klasse nach Indien geflogen ist. Nun ermittelt die Staatsanwalt Hamburg, ob er dabei die Unwahrheit gesagt hat.

Auch der Frankfurter Stadtdekan bewohnt ein schönes, großes Haus, es ist für 2,2 Millionen Euro saniert worden, "aber alles lief transparent", darauf legt Johannes zu Eltz Wert. Er hat sich offen gegen den Bischof gestellt und ihm den Rücktritt nahegelegt. In ein paar Stunden wird er Kardinal Lajolo treffen, er bleibe dabei: "Ich sehe den Bischof in seiner Amtsführung behindert."

Johannes zu Eltz ist ein grundkonservativer Theologe, Kritiker werfen ihm vor, er wäre gerne selber Bischof geworden. Vor allem aber erlebt man einen scharfen, manchmal unerbittlichen Denker. Es gehe um die "tief greifende Vertrauenskrise" im Bistum: "Nicht allein die Leute müssen Vertrauen zum Bischof haben, es muss auch der Bischof Vertrauen in seine Leute haben." Zunehmend spalte sich die Priesterschaft: "Viele von den Jüngeren und den Mitbrüdern aus dem Ausland halten stark zum Bischof, die anderen sind in der Mehrheit sehr kritisch. Mancher Pfarrer geht fast kaputt an diesem Konflikt."

Es ist die Geschichte persönlicher Enttäuschungen

So geht es nicht mehr weiter. Das sagen auch hochrangige Kirchenvertreter, die nicht so offen gegen den Bischof auftreten wollen. Und sprechen von ihrer Enttäuschung: dass hinter der Freundlichkeit und Intelligenz des Franz-Peter Tebartz-van Elst das Floskelhafte sichtbar geworden sei, die Unfähigkeit, auf sein Gegenüber einzugehen. Es war ja nicht so, dass das Bistum den Weihbischof aus Münster von vornherein abgelehnt hätte, als der 2007 ins Bistum kam. Es ist auch die Geschichte persönlicher Enttäuschungen, die sich nun in bitteren Sätzen äußert.

Barbara Wieland kann das alles nicht verstehen. "Ich habe den Bischof immer als offen und zugewandt und der Kritik zugänglich erlebt", sagt sie. Sie ist die ideale Fürsprecherin für Tebartz-van Elst, eine junge, eloquente Frau mit unzähmbaren roten Locken, Kirchenhistorikerin, engagiert im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und in ihrer Gemeinde.

Klar, sagt sie, der Bischof habe Fehler gemacht, aber dass er nun so zur Zielscheibe der Kritik werde, sei ungerecht. "Es wird überhaupt nicht wahrgenommen, was gut läuft", sagt sie. Zum Beispiel die Reform der Gemeindestrukturen. Seit sie Interviews zugunsten des Bischofs gebe, habe sie auch Zuspruch erhalten. Gerade von jungen Priestern, die sagten: "Unter Bischof Franz Kamphaus war auch nicht alles ideal."

Der Vorgänger war ein Gewissensmensch

Franz Kamphaus. Der Name des Vorgängers fällt immer wieder. Kamphaus war 25 Jahre Bischof von Limburg, er wohnte im Priesterseminar und fuhr mit dem eigenen klapprigen Auto zu Terminen. Er war der letzte Bischof, der sich dem Befehl des Papstes widersetzte, die deutschen Bischöfe mögen aus der staatlichen Schwangerenberatung aussteigen. Die Medien nannten ihn liberal, obwohl er das Wort hasste.

Er war ein Gewissensmensch, mit ans Karge grenzender Bescheidenheit. Er zog Pfarrer an wie Hubertus Janssen, den Knastseelsorger, der auch die einsitzenden Terroristen der RAF betreute. Im liberal geprägten Bistum, das es erst seit 1827 gibt, verehrten ihn viele. Es gab aber auch Gläubige wie Geistliche, die sich einen Bischof wünschten, der irgendwie katholischer ist.

Und so sagen derart unterschiedliche Menschen wie zu Eltz und Janssen, der fromme Revoluzzer, fast wortgleich: Mit Kamphaus musste, aber konnte man streiten. Er hatte Macken, aber er war echt, er war bei den Leuten. Und andererseits fühlen sich viele jüngere Priester mit Tebartz-van Elst verbunden: Alle Welt schüttelt den Kopf über einen - das kennen sie auch. Die Autorität des Amtes hilft nicht mehr über die persönlichen Schwächen hinweg, das fürchten sie auch. Und es entspricht auch dem eigenen Selbstverständnis, das Priesteramt als ästhetisch-spirituelle Existenz zu begreifen, die auch der Entrückung vom Volk bedarf. Unter einem Papst Benedikt hätte es wohl keinen "brüderlichen Besuch" aus Rom gegeben. Dass Franziskus den Konflikt anders angeht, spricht ebenfalls für sich. Von Kamphaus, der im Altenheim wohnt, heißt es, dass er sehr leide.

Der Donnerstag in der Limburger Kreuzwoche ist der "Tag der Caritas", es treffen sich Menschen, die sich ehernamtlich oder professionell um Arme, Alte, Kranke kümmern - nirgendwo trifft die Kirche unvermittelter auf den Rest der Welt. "Wir machen halt unsere Arbeit weiter", sagen viele von ihnen. Und erzählen dann von ihrem Frust, dass jetzt auch über sie das Klischee von der reichen, arroganten und verschwenderischen Kirche gestülpt würde.

Eine Abberufung wäre höchst ungewöhnlich

Das Gespräch mit Lajolo war gut, sagt Johannes zu Eltz am Freitag. Der Besucher habe zugehört, präzise gefragt. Eine Entscheidung dürfte es so schnell nicht geben, eine schnelle Abberufung wäre jedenfalls ein höchst ungewöhnlicher Schritt; vielleicht, heißt es, gibt es einen zweiten Weihbischof neben Thomas Löhr, dem jetzigen, von dem man wenig hört in der Krise.

So allein wurde selten ein Bischof von den Mitbrüdern gelassen. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx (der selber ordentlich Geld für Immobilien ausgeben ließ) ist ihn hart angegangen: Auch für Bischöfe würden die "Gebote von Transparenz und Wahrhaftigkeit" gelten. Kardinal Lehmann aus Mainz hat den Besuch Lajolos "ein Alarmzeichen" genannt, der Kölner Kardinal Joachim Meisner und der Bischofskonferenzvorsitzende Robert Zollitsch haben unisono die Lage als "traurig" bezeichnet. Einzig der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer ist dem Limburger beigesprungen.

Am Sonntag jedenfalls wird Tebartz-van Elst den feierlichen Gottesdienst zum Kreuzfest feiern, TV-Kameras und Fotoapparate werden jede Regung aufzeichnen. Predigen aber wird Giovanni Lajolo, der brüderliche Besucher aus Rom.

© SZ vom 14.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: