BGH schaltet sich ein:Karolina-Prozess muss neu aufgerollt werden

Die Peiniger der zu Tode gefolterten dreijährigen Karolina müssen mit einer Verurteilung wegen Mordes rechnen. Denn der BGH hat das Urteil vom April aufgehoben, wonach die Mutter Zaneta C. und ihr Lebensgefährte Mehmet A. lediglich wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sind.

Der Prozess um die zu Tode gefolterte dreijährige Karolina wird vor dem Landgericht München neu aufgerollt. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat das Urteil des Landgerichts Memmingen am Dienstag aufgehoben, wonach die Mutter Zaneta C. und ihr Lebensgefährte Mehmet A. lediglich wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sind.

BGH schaltet sich ein: Mehmet A. und Zaneta C.

Mehmet A. und Zaneta C.

(Foto: Fotos: dpa)

Sie müssen nun mit einer Verurteilung wegen Mordes rechnen, wie der BGH erklärte. Er gab der Revision der Staatsanwaltschaft statt.

Jetzt müssen die Mutter und der Lebensgefährte mit lebenslanger Freiheitsstrafe rechnen. Auch eine besondere Schwere der Schuld von Mehmet A. kann in Betracht kommen. In diesem Fall könnte er nach der Verbüßung einer 15-jährigen Freiheitsstrafe nicht aus dem Gefängnis entlassen werden.

Persönlichkeitsstörung

Das Landgericht Memmingen hatte die Angeklagten am 21. April dieses Jahres wegen Misshandlung Schutzbefohlener in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Die Mutter erhielt eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren und Mehmet A. zehn Jahre und drei Monate. Die Richter gingen von einer Persönlichkeitsstörung des Angeklagten aus und stuften ihn als vermindert schuldfähig sein.

Nach drei Jahren im Gefängnis hätte er in eine unbefristete psychiatrische Therapie wechseln sollen.

Der 1. Strafsenat des BGH beanstandete die Entscheidung der Memminger Richter in zwei zentralen Punkten. Es sei rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht Memmingen einen Tötungsvorsatz verneinte. Außerdem sei es nach dem dreitägigen Martyrium des Mädchens schwer vorstellbar, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert gewesen sei.

In Toilette abgelegt

Karolina war am 7. Januar 2004 gestorben, zwei Tage nachdem es lebensgefährlich verletzt in einer Toilette eines Krankenhauses in Weißenhorn bei Neu-Ulm abgelegt worden war.

Karolina-Prozess muss neu aufgerollt werden

Das Kind, das Zaneta C. von einem Zuhälter bekommen hatte, lebte teilweise bei anderen Menschen, bis die Mutter sich mit Mehmet A. zusammentat. Er konsumierte Drogen und Alkohol und Gewaltvideos und fiel durch aggressive Wutausbrüche auf. Das Kind wollte er "weg haben".

Auf geringes Fehlverhalten, wie Krümeln bei Essen, reagierte er Angeklagte mit Schlägen und stundenlangem Einsperren im kalten Keller bei Minusgraden. Dort musste die Dreijährige auf einem Bein stehen.

Aufs Schwerste misshandelt

Vom 1. bis 4. Januar 2004 misshandelte er Karolina auf das Schwerste. Die Mutter unternahm nichts dagegen, wirkte teilweise sogar aktiv mit, wie es im Urteil heißt.

Mehmet A. schlug sie mit der Hand oder einem Gürtel und drückte glühend heiße Gegenstände auf ihr aus. Zuletzt schlug er sie dem Urteil zufolge derart heftig ins Gesicht, dass sie an die Wand prallte und bewusstlos röchelnd zusammenbrach. Erst am kommenden Morgen überlegten Zaneta C. und Mehmet A. das Kind, dessen ganzer Körper angeschwollen war, zum Krankenhaus zu bringen.

Die Richter des BGH kritisierten die Einschätzung des Memminger Gerichts zur Frage des Tötungsvorsatzes, dass nicht jeder die Gefährlichkeit solcher Schläge kennen könne. "Das Gegenteil ist richtig", sagte der Vorsitzende des Ersten Strafsenats, Armin Nack.

Jeder Erwachsene wisse, dass mit Wucht ausgeführte Schläge auf den Kopfes eines Kleinkindes gefährlich sind. Dazu sei dem letzten tödlichen Schlag eine Kette von Gewalttaten vorausgegangen. Der körperliche Zustand des Kindes sei nach den vorausgegangenen Misshandlungen bereits schwer beeinträchtigt gewesen.

Von Gaststättenaufenthalt unterbrochen

Dass die Misshandlungen durch einen Nachbarschafts-Besuch und einen Gaststättenaufenthalt unterbrochen worden seien, spreche nicht für eine verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat.

Aktenzeichen: Bundesgerichtshof 1 StR 410/05 Ende

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