Betrugsmaschen:So werden alte Menschen ausgetrickst

  • Der mutmaßliche Erfinder der Betrugsmasche Enkeltrick steht mit vier weiteren Angeklagten vor Gericht. Er soll fast 100 alte Menschen beraubt haben.
  • Der Enkeltrick nutzt die Gutgläubigkeit alter Menschen aus - und funktioniert oft. Nach Schätzungen werden auf diese Weise jedes Jahr mehrere Millionen Euro erbeutet.
  • Verschiedene Betrugsmethoden im Überblick.

Von Jana Felgenhauer

Silber, Schmuck, Uhren: Die Polizeibeamten haben einen großen Schatz im Hamburger Polizeipräsidium zusammengetragen. Erbeutet von einer Bande um den Mann, der als Erfinder der Betrugsmasche Enkeltrick gilt.

Seit Montag steht Arkadiusz L. aus Polen, genannt "Hoss", vor Gericht, und mit ihm vier weitere Angeklagte, die mutmaßlich zu einem international agierenden Verbrecherring gehören. Der 46-Jährige soll seit 15 Jahren fast 100 alte Menschen um ihr Geld und ihre wertvollsten Gegenstände gebracht haben, einige von ihnen um ihr gesamtes Erspartes.

Der Enkeltrick, der den Angeklagten nun als gewerbsmäßiger Bandenbetrug vorgeworfen wird, ist inzwischen durch Warnkampagnen bekannt. Trotzdem funktioniert er - weil er die Gutgläubigkeit alter Menschen ausnutzt: Der Betrüger gibt sich am Telefon als naher Verwandter in dringender Geldnot aus und fordert sein Opfer auf, sofort Geld zu überweisen oder Wertgegenstände einem Bekannten zu übergeben.

Schätzungen zufolge werden auf diese Weise jedes Jahr mehrere Millionen Euro erbeutet. Die Methode ist allerdings nicht die einzige, mit der Verbrecher alte Menschen um ihr Geld bringen. Ein Überblick.

Der falsche Handwerker

Es klingelte, vor der Tür der 76 Jahre alten Frau aus dem niedersächsischen Nienburg standen drei Männer in Arbeitskleidung. Sie brachten schlechte Nachrichten: Das Haus der Rentnerin sei von Mauerwürmern befallen. Aber sie würden das Problem schon in den Griff bekommen.

Zur angeblichen Schädlingsbekämpfung nebelten die Männer Keller und Dachboden mit einer Substanz ein und kassierten anschließend 8000 Euro für ihre Kammerjägerdienste. Für weitere Arbeiten verlangten sie noch mal 9000 Euro, die Rentnerin ging ein weiteres Mal zur Bank, um nichts schuldig zu bleiben. Eine skeptische Angestellte informierte die Polizei.

Bevor die Beamten eintrafen, waren die falschen Handwerker allerdings verschwunden. Noch am selben Tag klingelten sie bei einer 91-Jährigen, um einen Rauchmelder zu installieren. Nachdem sie den angeblichen Auftrag ausgeführt hatten, verschwanden sie erneut, samt Bargeld und Schmuck. Im Mai wurden die Betrüger bei einem weiteren Betrugsversuch geschnappt.

Das Autobahngold

In diesem Fall stand ein etwa 60 Jahre alter Mann in adrettem dunkelblauen Anzug vor der Wohnungstür in einem Mehrfamilienhaus in Neu-Ulm. Nachdem ihn das Rentnerpaar, das dort lebte, hereingelassen hatte, bat er die beiden ohne Umschweife um Geld. Seine Lage sei schrecklich, sagte er der 88-Jährigen und ihrem Ehemann, er müsse sich das Geld aus persönlichen Gründen dringend borgen.

Weil der Fremde als Pfand Schmuckstücke daließ, gaben ihm die Senioren hilfsbereit einen dreistelligen Betrag. An dem Tag, an dem er die Summe zurückbringen sollte, warteten sie vergeblich und informierten die Polizei. Der angebliche Goldschmuck stellte sich als billiger Krempel heraus.

Bald darauf fassten die Ermittler den Mann nach mehreren Trickbetrügereien. Diese Masche ziehen Betrüger allerdings oft auch an Autobahnrastplätzen durch, wo sie vortäuschen, kein Geld für Benzin zur Weiterfahrt zu haben und sich gegen falschen Schmuck ein paar Scheine borgen.

Vom Schockanruf bis zum Geldwechseltrick

Der unechte Beamte

Die 73-jährige Pforzheimerin traute ihren Ohren kaum, als sie der Beamte am anderen Ende der Leitung aufforderte, ihr gesamtes Bargeld in einer Tüte vor die Haustür zu hängen. Aber er war von der Kriminalpolizei und sehr höflich. Außerdem erscheinen ihr die Gründe plausibel: Der Anrufer habe erfahren, dass ein Einbrecher unterwegs in ihre Wohnung sei. Die Kripo werde ihr Vermögen an der Tür abholen und in Sicherheit bringen.

Die Frau raffte also alle Ersparnisse zusammen und hängte sie an ihre Klinke. Gesamtbetrag: 75 000 Euro. Allein in Pforzheim gingen im September laut Polizeiangaben 60 ähnliche Anrufe ein. Sechs davon waren erfolgreich und brachten den Betrügern insgesamt 150 000 Euro ein.

Der Geldwechseltrick

Steinfeld bei Cloppenburg, ein Septembertag. Ein 77 Jahre alter Mann blickte fassungslos in die gähnende Leere seines Portemonnaies. Er hatte doch gerade noch 200 Euro darin - hatte er das Geld denn tatsächlich schon ausgegeben?

Rückblick: Soeben erst hatte er das Geld bei der Bank abgehoben. Draußen auf dem Parkplatz bat ihn ein ordentlicher junger Mann, ihm eine Zwei-Euro-Münze zu wechseln. Geldbeutel auf, und zack - war das Geld weg, das der Rentner vermeintlich wieder eingesteckt hatte.

Bei dieser Masche warten die Täter meist vor Banken auf ältere Menschen. Auf dem Parkplatz versuchen sie, den Senioren ihr Bares zu stehlen, indem sie darum bitten, eine Münze zu wechseln. Das tun sie so geschickt, dass der Griff in die Geldbörse meist gar nicht auffällt.

Der Schockanruf

Diese Betrugsmasche funktioniert ähnlich wie der Enkeltrick. In Regensburg hat sie ein 79-jähriger Mann erlebt. Der Telefonhörer sei ihm vor Schreck fast aus der Hand gefallen, erzählte er später. Am anderen Ende der Leitung teilte ihm ein angeblicher Anwalt mit, der Sohn des Rentners habe einen Unfall verursacht, ein Mädchen sei schwer verletzt.

Er wies ihn dringend an, die Operations- und Behandlungskosten für das Mädchen zu bezahlen. Ein Bruder des Mädchens werde das Geld abholen. Kurz darauf kam tatsächlich der angekündigte Geldbote, der Rentner überreichte ihm 5900 Euro. Laut Polizei sind die Opfer dieser "Schockanrufe" meist aus Russland stammende, ältere Menschen, die Betrüger kommen oft aus Litauen.

Das falsche Preisausschreiben

Was für ein Glück! In Pommritz, Sachsen, glaubte ein 70-Jähriger bei einem Gewinnspiel 84 000 Euro gewonnen zu haben. Um das Geld zu erhalten, sollte er 600 Euro Notarkosten bezahlen - als Vorkasse über "Paysafe Codes".

So kaufte der Rentner an einer Tankstelle sechs dieser Wertscheine zu je 100 Euro und gab die Codes, mit denen sie sich in Bargeld verwandeln lassen, übers Telefon an die vermeintliche Gewinnspielfirma durch. Als er noch einmal 5000 Euro zahlen sollte, wurde er stutzig und erstattete Anzeige. Schwacher Trost: Der Mann ist bei Weitem nicht der Einzige, der auf diesen Trick reinfiel. Das Bundeskriminalamt zählte im vergangenen Jahr 322 500 Betroffene.

Die Kostenerstattung

Mal kein Geld nachzahlen zu müssen, sondern etwas zurückzubekommen, dieser guten Nachricht ging eine 74-Jährige in Berlin auf dem Leim. Dort klingelte ein Mann an Wohnungstüren und stellte sich mal als Mitarbeiter eines Stromanbieters vor, mal als Vertreter eines Mobilfunkunternehmens.

Für eine Kostenrückerstattung bräuchte er eine EC-Karte plus Geheimzahl. Die Frau gab ihm beides. Während sie zu Hause auf das Geld wartete, ging der 36-Jährige zur Bank und räumte ihr Konto ab. Mittlerweile sitzt er im Gefängnis.

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