Großrazzia in DRK-Kliniken:Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe

Betrugsverdacht gegen Chefs und Ärzte: Die Berliner Polizei hat rund 150 medizinische Einrichtungen des Roten Kreuzes und Privatadressen durchsucht.

Zahlreiche Krankenhäuser des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Berlin haben gerade Probleme wegen einer Kostendämpfung der ganz besonderen Art. Kriminalbeamte sind Abrechnungsbetrügern unter den Klinikmanagern und Ärzten auf der Spur.

Grossrazzia in medizinischen Einrichtungen in Berlin

Polizisten und Ermittler tragen in Berlin im Stadtteil Wilmersdorf Kisten aus der Geschäftsstelle des DRK (Deutsches Rotes Kreuz). Wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug im grossen Stil haben Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin mehr als 150 medizinische Einrichtungen durchsucht.

(Foto: dapd)

Frühmorgens rückten sie zur Razzia an. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr durchsuchten Staatsanwälte und die Polizei in Berlin Gesundheitseinrichtungen, vor allem Kliniken des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Wie ein Polizeisprecher sagte, überprüften mehr als 300 Beamte seit sechs Uhr 152 Kliniken des Deutschen Roten Kreuzes und private Wohnungen von Ärzten und Geschäftsführern. Auch medizinische Versorgungseinrichtungen wurden durchsucht. Diese bieten ambulante Dienste auf dem Gelände von DRK-Kliniken an.

Ärzte und Geschäftsführer der Einrichtungen hätten womöglich ärztliche Leistungen falsch abgerechnet. Die Ermittler gehen unter anderem Hinweisen nach, dass Behandlungen durch Assistenzärzte unzulässig als Fach- und Chefarztbehandlungen mit höheren Kosten abgerechnet wurden. Zudem sollen in den Versorgungszentren Scheinverträge abgeschlossen worden sein.

Ermittelt werde gegen 62 Beschuldigte, davon eine Handvoll auf Führungsebene, sagt Oberstaatsanwalt Frank Thiel. Bereits im Juni hatte es eine ähnliche Razzia gegeben. Es waren zwei Klinik-Geschäftsführer des DRK und ein Chefarzt festgenommen worden. Damals ging es neben Abrechnungsbetrug auch um Körperverletzung, weil Assistenzärzte der Radiologie ohne fachliche Aufsicht Aufgaben übernommen haben sollen, für die sie noch nicht ausgebildet waren.

Die Vorwürfe vom Juni hätten sich verstärkt und deutlich erweitert, so Thiel. Durch Abrechnungsbetrug soll ein Gesamtschaden im zweistelligen Millionenbereich entstanden sein. Es bestehe der Verdacht eines gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs zu Lasten der Krankenkassen.

Festnahmen gab es bisher keine. Die neuen Durchsuchungen sind nach Behördenangaben eine Folge der durch die Razzia vom Juni gewonnenen Ermittlungsergebnisse. Damals sei noch davon ausgegangen worden, dass es nur in der Radiologie Betrugsfälle gegeben habe, nun werde in sämtlichen medizinischen Bereichen ermittelt. Hinweise, dass Patienten körperlich zu Schaden kamen, gibt es bislang nicht.

Der Verband der DRK-Schwesternschaften hat sich "entsetzt und überrascht" über die neuerliche Razzia in Berliner DRK-Einrichtungen geäußert. "Wir möchten, dass die Vorwürfe schnell abschließend geklärt werden, damit das Deutsche Rote Kreuz sich wieder den medizinischen Aufgaben und dem humanitären Auftrag widmen kann", hieß es in einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung. Die durchsuchten DRK-Kliniken gehören der DRK-Schwesternschaft Berlin.

Der Verband erklärte, nach seiner Kenntnis hätten die Berliner DRK-Kliniken seit Bekanntwerden der Vorfälle im Juni konsequent an der Abstellung der Mängel gearbeitet.

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