Bestseller "Monster":Warum Massenmörder die Menschen faszinieren

Er hat Charles Manson im Gefängnis besucht und einen Kannibalen in seiner Wohnung: Der Ökonomieprofessor Micael Dahlén wollte herausfinden, wie Massenmörder ticken und was ihre Faszination ausmacht. Es war ein Blick in tiefe Abgründe.

Von Silke Bigalke und Dieter Sürig, Stockholm

Sein kleines Büro in der School of Economics im Zentrum Stockholms ist so unkonventionell wie Micael Dahlén selbst. Bücher quellen aus den Regalen, Schreibtisch und Fußboden sind mit Papier übersät. Der 40-jährige Marketing-Professor genießt in seiner Heimat Kultstatus - wegen seiner unprätentiösen Art und seiner Themen.

In dem Bestseller "Monster", der gerade auch in Deutschland erschienen ist, beschäftigt er sich mit Massenmördern. Um zu erfahren, welche Faszination von ihnen ausgeht und warum manche viel Geld mit diesem Thema verdienen, hat er selbst den amerikanischen Verbrecher Charles Manson im Gefängnis getroffen. Manson war 1969 an der Ermordung von mindestens sieben Menschen beteiligt und hat es verstanden, eine Fangemeinde aufzubauen - nicht zuletzt mit Hilfe einer kruden Umweltbewegung.

Dahlén musste ihm eine teure Hang Drum mitbringen, ein seltenes Musikinstrument aus der Schweiz. "Charles Manson hat mich durch seinen Reifen springen lassen", fürchtet der Ökonomieprofessor, der dem wohl berüchtigsten Verbrecher der Welt dafür fünf Stunden lang besuchen konnte. "Er hat mich voll in Beschlag genommen, wollte meine ganze Aufmerksamkeit. Er konnte kaum still sitzen, ist ständig aufgesprungen, ist umher getanzt, hat mich bedrängt", sagt Dahlén im Interview der SZ-Reihe "Reden wir über Geld".

Monster werden zu Ikonen stilisiert

Bei seinen weiteren Recherchen hat Dahlén auch öfter um sein Leben gefürchtet. Nicht nur sein Besuch in der kalifornischen Wüste bei den Manson-Anhängern war bizarr, auch seine Reise nach Japan, wo er den Kannibalen Issei Sagawa in dessen Wohnung aufsuchte.

"Ich musste erkennen, wie viel Finsternis in jedem von uns stecken kann. Ich hatte die romantische Vorstellung, dass wir alle Lebewesen des Lichts und von Grund auf gut sind. Und dass es einige wenige böse Menschen gibt, die man vielleicht an ihren Hörnern erkennen kann. Aber die mit den Hörnern können mir ähnlicher sein, als mir lieb ist", sagt er. "Diese Monster werden zu Ikonen hochstilisiert." Jeder Mensch habe eine dunkle Seite, so eine seiner Schlußfolgerungen, er könne sich da nicht ausschließen. Diese Faszination mache das weltweite Millionengeschäft mit dem Mord erst möglich: Bücher, Fernsehdokumentationen, Hollywood.

Und um nicht selbst Teil dieser Industrie zu werden, hat Dahlén die Überschüsse aus seinem Buchprojekt gespendet. Er wolle kein Geld damit verdienen, betont er. Was ihn besonders erschreckte, war der Umstand, dass auch er selbst immer besessener von dem Thema wurde: "Es ist furchtbar und erschreckend, aber ich kann mich dem auch nicht entziehen." Er hofft aber, dass sein Buch als eine Art Trojanisches Pferd funktioniert. Denn mitten in der Lektüre wird der Leser plötzlich mit sich selbst konfrontiert.

Das vollständige Interview lesen Sie in der Freitagsausgabe der Süddeutschen Zeitung.

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