Berufungsprozess:In der Farbe der Unschuld

Tanja, besser bekannt als Tatjana Gsell, steht in Nürnberg nebst einem befreundeten Staatsanwalt vor Gericht und sagt nur wenig.

Von Hans Holzhaider

Nürnberg - Was die Fotografen angeht, so hält es Frau Gsell ähnlich wie der bayerische Ministerpräsident, wenn er vor Gericht auftreten muss: Sie setzt sich erst, wenn alle den Saal verlassen haben.

Man bringt sich so besser zur Geltung: die Kostümjacke und das figurbetonte Kleid in unschuldigstem Weiß, ebenso das mehrreihige Perlenkollier mit dem goldblitzenden Medaillon, das sich eng um den schlanken Hals schmiegt.

"Das klären wir am besten später"

Das Kleid ist tief genug ausgeschnitten, um den berühmten Busen (den in Beziehung mit ihrem Witwenstand zu bringen anwaltlich untersagt ist) angemessen ins Blickfeld zu rücken. Ihren Vornamen gibt sie mit Tanja an, die Frage nach ihrem derzeitigen Beruf bringt sie in Verlegenheit: "Medien . . .", hebt sie zögernd an und blickt Hilfe suchend zu Verteidiger Steffen Ufer, der aber auch nur mit den Schultern zuckt.

"Das klären wir am besten später", bescheidet er Amtsrichterin Ute Kusch. Stefan M., der zweite Angeklagte, in dezentes Grau gekleidet, hat mit dieser Frage weniger Probleme: "Staatsanwalt, zurzeit suspendiert."

Geldhahn zu

Die Anklage, die Oberstaatsanwalt Walter Knorr verliest, muss jeden Heftchenromanautor vor Neid erblassen lassen. Die 31-Jährige aus Frankens Provinz, die einen 76-jährigen Schönheitschirurgen heiratet, aber mit einem Autohändler in Marbella fremdgeht und zugleich einen ihr in unerfüllter Liebe ergebenen jungen Staatsanwalt zu einer krummen Tour überredet.

Weil der betagte Gatte angesichts der außerehelichen Eskapaden der Angetrauten den Geldhahn zugedreht hat, kommt sie auf die Idee, ihren Mercedes 500 SL für 30.000 Euro an serbische Autoschieber zu verhökern und dann als gestohlen zu melden, um die Versicherung zu kassieren.

Der Ehemann, so die Anklage, habe sich überreden lassen mitzuspielen, und der Staatsanwalt habe es auf Bitten der Angebeteten unternommen, den Deal zu überwachen und das Geld in Empfang zu nehmen.

Weil die zwei zur Abholung des Fahrzeugs angereisten Autoschieber aber nicht zahlen wollten, habe der Ehemann die Herausgabe der Autoschlüssel und der Papiere verweigert, worauf ihm die Gangster ein paar Faustschläge versetzt und dann unverrichteter Dinge die Flucht ergriffen hätten.

Verletzungen mit Folgen

Nunmehr hätten Ehemann und Staatsanwalt gemeinsam Möbel umgeworfen, die Verandatür mit einer Bronzestatue eingeschlagen und 5000 Euro aus dem Safe im Sicherungskasten versteckt, um einen Raubüberfall vorzutäuschen.

In der Farbe der Unschuld

Dann habe der Staatsanwalt den Ehemann mit Klebeband geknebelt und allerlei falsche Spuren gelegt: Wollmützen, eine Axt, Tüten mit rumänischem Aufdruck.

Unglücklicherweise hatten die Verletzungen, die Franz Gsell bei dem ungeplanten Handgemenge erlitt, tragische Folgen: Infolge einer Sepsis verstarb der Schönheitschirurg elf Wochen später.

Noch vom Krankenbett aus forderte er aber von der Versicherung Ersatz für das angeblich gestohlene Bargeld, eine Bulgari-Uhr im Wert von 16.000 und den Ehering der schönen Tanja, der auch 10.000 Euro wert war.

"Mit der ganzen Sache nichts zu tun"

Frau Gsells Anwälte haben dafür Sorge getragen, dass sie nicht viel sprechen muss. Anwalt Ufer verliest eine Erklärung, wonach die gegen seine Mandantin erhobenen Vorwürfe "im Großen und Ganzen" zuträfen, dass es ihr Leid tue, dass ihr Mann "letztlich auf tragische Weise zu Tode kam" und sie es "nicht zuletzt" bedauere, dass sie ihren langjährigen Freund Stefan M. "durch ihre Pläne und Wünsche in eine existenzbedrohende Situation gebracht hat". Weitere Fragen werde Frau Gsell nicht beantworten.

Staatsanwalt M. hingegen kann es kaum erwarten, Fragen zu beantworten. Er habe nämlich, sagt er, mit der ganzen Sache nichts zu tun, habe vom geplanten Versicherungsbetrug nichts gewusst, er sei an jenem Abend nicht in Nürnberg und schon gar nicht in der Wohnung des Schönheitschirurgen gewesen, und er habe auch keine falschen Spuren gelegt.

Warum aber hat er bei der Polizei gestanden, er habe am Abend des Überfalls vor Gsells Wohnung gewartet, um einen größeren Geldbetrag in Empfang zu nehmen? Das habe er nur gesagt, beteuert der Angeklagte, weil ihm der Vernehmungsbeamte gedroht habe, er werde ihn in Haft nehmen, wenn er nichts sage.

Das aber habe er sich als Staatsanwalt nicht leisten können. Nie habe er sich vorstellen können, wie man bei der Polizei so unter Druck geraten könne. Er musste trotzdem in der Arrestzelle nächtigen, zwei mal zwei Meter, mit Plumpsklo, da war er sehr schockiert, der Staatsanwalt. Sehr ungewöhnlich sei das alles, sagt Richterin Kusch, wirklich sehr ungewöhnlich.

Schwergewichtige Herren

Man wird an den nächsten Verhandlungstagen Zeugen vernehmen; die Chancen, dass man dem Angeklagten M. glaubt, werden nicht allzu hoch eingeschätzt. Die Verhandlung wird vertagt, die Kameraleute dürfen wieder in den Saal, Frau Gsell legt die Jacke ab.

Vor der Tür warten zwei sehr schwergewichtige Herren auf sie, die man der Kleidung nach für Beerdigungsunternehmer halten würde, aber es sind Leibwächter, angeheuert von Pro 7, dort steht Tanja Gsell unter Vertrag. Wenn sie spricht, dann nur mit den richtigen Leuten.

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