Berlin:Zettels Schaum

Berlin: Dokument der Not und Verzweiflung: Sabines Aushang.

Dokument der Not und Verzweiflung: Sabines Aushang.

(Foto: notesofberlin.com)

"Du elendes Stück Scheiße" - Wie eine alleinerziehende Mutter in Berlin einen Dieb überführen will - und damit eine Welle des Mitleids in der Hauptstadt auslöst.

Von Christoph Dorner

Sabine ist richtig sauer, als sie am Morgen des Nikolaustages 15 Zettel an drei U-Bahn-Stationen in Friedrichshain aufhängt. Die alleinerziehende Mutter sitzt zuvor wie immer im Regionalexpress nach Frankfurt an der Oder, als sie feststellt, dass ihr in der U-Bahn die Geldbörse gestohlen wurde. Mit Bargeld, Monatskarte für 140 Euro, Geldkarten, Ausweisen. Im Zug schenkt ihr jemand fünf Euro, damit sie zurück nach Hause fahren kann. Dort verfasst Sabine eine Tirade auf den Dieb, wobei sie die Kraftausdrücke im Vergleich zum ersten Entwurf noch abschwächt. Die 30 Euro, die sie und ihre zwei Kinder durch die Woche gebracht hätten, könne er ruhig behalten. Sie wolle nur ihre Papiere zurück. Darunter eine Telefonnummer.

Eine Erzählung wird aus den skurrilen Zettelbotschaften, die das Blog "Notes of Berlin" seit Jahren - wie im Fall Sabine - sammelt und veröffentlicht, eher selten. Und schon gar keine Weihnachtsgeschichte. Doch diesmal scheint sich die oft so raubeinig erscheinende Stadt an der Geschichte zu erwärmen.

"Man spürt die Not und die Verzweiflung dieser Frau", sagt Joab Nist von "Notes Of Berlin", das ein Foto des Zettels noch am gleichen Tag veröffentlicht. Und als ein Berliner nachfragt, ob er der Frau 200 Euro spenden könne, kommt Schwung in die Sache. Das Blog berichtet mit Sabines Einverständnis von dem Fall. Sie will lieber anonym bleiben. Daraufhin melden sich immer mehr Leute, über 750 Euro kommen zusammen.

Das Geld, das die Frau namens Sabine nicht zur Wiederbeschaffung ihrer Dokumente benötigt, will sie nun an einen Verein spenden, der alleinerziehende Mütter unterstützt.

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