Berlin:Vier Jahre Haft für ICE-Entführer

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Der Angeklagte mit seinem Anwalt: Laut Urteil war die Tat ein "pathologischer Kompensationsversuch", als sich die Krankheit des Mannes zuspitzte. (Foto: dpa)
  • Wegen der Geiselnahme in einem ICE hat das Berliner Kammergericht einen 24-jährigen Mann zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt.
  • Er muss in eine geschlossene psychiatrische Klinik.
  • Der Mann hatte den Zugchef mit vorgehaltener Schreckschusspistole gezwungen, ein Schreiben mit politischen Forderungen telefonisch weiterzugeben.

Vier Jahre in eine geschlossene psychiatrische Klinik

Knapp zehn Monate nach der Geiselnahme in einem ICE hat das Berliner Kammergericht einen Mann aus Baden-Württemberg zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren verurteilt. Der 24-Jährige muss in eine geschlossene psychiatrische Klinik. Der bereits vorbestrafte Mann wurde zudem wegen versuchter Nötigung des Bundespräsidenten verurteilt.

Der Mann hatte im November 2014 im ICE von Berlin nach Hamburg den Zugchef mit vorgehaltener Schreckschusspistole gezwungen, ein Schreiben mit politischen Forderungen telefonisch weiterzugeben. Zuvor gab er einen Warnschuss ab. Der Geiselnehmer wollte, dass Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf einer Pressekonferenz die Anerkennung Palästinas als Staat verurteilen.

Der Mann wurde von Fahrgästen überwältigt, dabei fielen noch drei Schüsse. Verletzt wurde niemand. Als der Mann an jenem Morgen am Berliner Hauptbahnhof in den Zug stieg, war er bereits zwei Nächte ohne Schlaf durch die Hauptstadt geirrt und hatte auch seine Medikamente nicht genommen.

Prozessbeginn
:"146 Schuss neun Millimeter"

In Berlin muss sich ein Mann vor Gericht verantworten, der im November 2014 einen ICE entführen und Politiker damit zwingen wollte, sich gegen die Anerkennung Palästinas auszusprechen.

Von Verena Mayer

Gefährlich für die Allgemeinheit

Der Mann leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, verbunden mit Depressionen, herabgesetzter Hemmschwelle, Zwangshandlungen und Suizidversuchen.

Richter Josef Hoch sagte, der Mann sei wegen aggressiver Ausbrüche gefährlich für die Allgemeinheit. Der Geiselnehmer sei zwar schuldfähig. Seine Steuerungsfähigkeit sei aber erheblich vermindert gewesen. "Die Tat hätte sich ohne die Krankheit nicht ereignet", sagte Hoch. "Er begeht Straftaten als ein anderer."

Der 24-jährige Angeklagte habe sich wegen seiner jüdischen Großmutter für Israel interessiert und dem Staat emotional verbunden gefühlt. Das Gericht glaubte ihm, dass er seine Geldforderung von einer halben Million Euro nicht durchsetzen wollte. Der Mann hatte im Prozess umfassend gestanden, die Tat aber gerechtfertigt. Das Urteil nahm er mit einem Nicken auf. Das Strafmaß liegt unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte vier Jahre und neun Monate Gefängnis sowie die Unterbringung gefordert.

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