Berlin:Toter in der Tiefkühltruhe

In Berlin soll ein Mann einen Rentner ermordet und zehn Jahre lang auf dessen Kosten gelebt haben.

Von Verena Mayer, Berlin

Dass ältere Menschen manchmal tagelang oder sogar wochenlang tot in ihren Wohnungen liegen, ehe sie jemand vermisst, ist traurige Realität in vielen Großstädten. Der Fall, der gerade in Berlin für Aufsehen sorgt, hat aber eine besondere Dimension. Ein Rentner wurde seit dem Jahr 2007 nicht mehr gesehen, niemand ging dem nach. Erst in diesem Januar brach die Polizei die Wohnungstür auf - und fand seine Leiche. Der Mann war getötet worden, so ergab es die Untersuchung des Rechtsmedizinischen Instituts der Charité, und lag offenbar zehn Jahre lang in seiner Wohnung.

Die Hosemannstraße in Prenzlauer Berg. Nicht so szenig und teuer wie andere Ecken in dem Berliner Bezirk, aber eine angenehme Wohngegend. Ein Friseur, eine Eckkneipe, denkmalgeschützte Wohnblöcke, dazwischen ein paar Neubauten. Das Haus, in dem Heinz N. wohnte, wirkt gepflegt, der Rentner lebte in einer Parterrewohnung, an der alle Mieter vorbeimüssen. Wie kann jemand hier Opfer eines Gewaltverbrechens werden, das dann noch dazu zehn Jahre lang unbemerkt bleibt?

Er leerte den Briefkasten, zahlte die Rechnungen und bediente sich vom Konto

Fragen, die sich in Berlin derzeit viele stellen. Immerhin weiß man nun mehr über das Opfer. Der damals 80-Jährige lebte allein, seine Frau war schon Jahre zuvor verstorben und andere Angehörige hatte er offenbar nicht. Nachbarn beschreiben den Rentner in Berliner Medien als lebenslustigen Mann, der gerne weiße Turnschuhe trug und zum letzten Mal 2006 oder 2007 gesehen wurde, als er zum Arzt ging. Irgendwann lernte er einen heute 55-jährigen Mann aus Polen kennen und freundete sich mit ihm an, so erzählt es Martin Steltner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Der 55-Jährige soll den Rentner getötet, seine Leiche zerstückelt und in der Gefriertruhe abgelegt haben. Dann lebte er vermutlich auf Kosten des alten Mannes. Er hatte Zugriff auf dessen Ersparnisse und Konten. Regelmäßig soll er Geld abgehoben haben - zuletzt im Dezember und Anfang Januar.

Der Mann hat offenbar alles getan, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Er leerte den Briefkasten und bezahlte Rechnungen, der Berliner Zeitung B.Z. zufolge ließ er sogar Handwerker in die Wohnung, um etwas reparieren zu lassen. Dennoch kam den Hausbewohnern vieles seltsam vor. Dass im Parterre nie Licht brannte, der Stromverbrauch aber trotzdem hoch war. Auch soll es aus der Wohnung im Erdgeschoss eines dreistöckigen Gebäudes stark gerochen haben. Ein Nachbar erzählte dem Sender RBB, er habe seit Jahren immer wieder nach dem Rentner gefragt, die Hausverwaltung und auch die Polizei auf sein Verschwinden aufmerksam gemacht. Man habe ihm jedoch nur gesagt: "Der gute Mann ist erwachsen." Erst als er den Mieter Anfang des Jahres als vermisst meldete, brach die Polizei die Tür auf.

Warum das Verbrechen so lange unentdeckt blieb, wird derzeit noch untersucht. Der mutmaßliche Täter, der keinen festen Wohnsitz in Deutschland haben soll, befindet sich seit zehn Tagen in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird wegen Raubmordes ermittelt, geklärt werden soll auch, ob er noch Komplizen hatte.

Die Polizei hat den 55-Jährigen nur einen Tag nach dem Fund der Leiche in der Nähe von Heinz N.s Wohnung verhaftet: Zuvor hatten die Beamten Videoaufnahmen von N.s Bank ausgewertet, die den mutmaßlichen Täter dabei zeigen, wie er Geld vom Konto des Opfers abhebt. So erkannten sie den Tatverdächtigen auf der Straße, als er wieder einmal in die Nähe von Heinz N.s Wohnung kam. Bei seiner Verhaftung trug der mutmaßliche Täter auch persönliche Gegenstände des Opfers bei sich.

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