Berlin:Rechtsextremer S-Bahn-Pinkler: teilnahmslos auf der Anklagebank

Rechtsextremismus

Der rechtsextreme Christoph S. saß schon wegen Sachbeschädigung und Volksverhetzung im Gefängnis (Symbolbild).

(Foto: dpa)

In Berlin hat der Prozess gegen den 33-jährigen Christoph S. begonnen, der in einer S-Bahn auf zwei Kinder und deren Mutter uriniert haben soll.

Von Verena Mayer, Berlin

Der Mann, der in einer Berliner S-Bahn Nazi-Lieder grölte, vom Vergasen und Verbrennen schrie und offenbar auf eine Migrantenfamilie urinieren wollte, gibt sich vor dem Amtsgericht schüchtern. Er wolle sich nicht äußern, sagt sein Verteidiger und blickt in den Zuschauerraum, wo sich am Freitag die Presse versammelt hat. "Er hat Angst, dass das hinaus in die Welt geht."

Christoph S., 33, kurz geschorenes Haar, tätowierte Finger, nickt, sonst kommt nichts mehr. Ausdruckslos sitzt er zwischen seinen Verteidigern, als ginge ihn das alles nichts an.

Hass-Parolen in der S-Bahn

In der rechtsextremen Szene, der er seit Jahren angehört, ist S. ein eher kleines Licht. Ohne Job und oft betrunken, in Erfurt saß er wegen Sachbeschädigung und Volksverhetzung in Haft.

Dennoch wurden seine Taten über die Hauptstadt hinaus bekannt. Es war der Herbst 2015, in Deutschland häuften sich Attacken auf Flüchtlingsheime, und in Berlin zog S. mit seinen Kumpels durch S-Bahn-Züge, schrie Hass-Parolen, beschimpfte und pöbelte Leute an, die seiner Meinung nach nicht deutsch aussahen.

"Der wusste genau, was er tut"

Die Staatsanwaltschaft hat S. wegen Volksverhetzung und Körperverletzung angeklagt, das Urteil soll kommende Woche fallen.

Was der Angeklagte für einen Eindruck gemacht habe, fragt die Richterin einen Sozialarbeiter, der in derselben Bahn saß. "Ich hatte das Gefühl, der wusste genau, was er tut."

Die Situation sei sofort "äußert brenzlig" geworden, nachdem S. mit zwei anderen in die voll besetzte Bahn gestiegen war.

Die Opfer sprachen Deutsch mit Akzent

Er rannte herum, zeigte den Hitlergruß, brüllte, dass Juden und Asylbewerber verbrannt werden sollten. Während der Sozialarbeiter hinter einem Fahrrad in Deckung ging und die Polizei rief, sah er, wie S. sich einer Mutter mit zwei Kindern näherte, die mit Akzent Deutsch sprachen. Er baute sich vor ihnen auf und ließ die Hosen herunter.

Ob er sich vielleicht einfach nur erleichtern wollte, fragt die Richterin eine Lehrerin, die in der Nähe der Familie stand. "Ganz sicher nicht", sagt die Frau.

Die Familie fuhr weiter

Christoph S. habe sich die Familie gezielt aufgrund ihres Auftretens ausgesucht und als "Asylantenpack" beschimpft. Erst als sein Begleiter dazwischengegangen sei, habe er von der Mutter abgelassen und die Hosen wieder hochgezogen.

Ob S. auf Mutter und Kinder uriniert hat, kann vor Gericht nicht geklärt werden. Die Familie, die aus Osteuropa stammen soll, fuhr nach der Tat weiter und wurde bislang nicht ausfindig gemacht.

Wie die Fahrgäste reagierten

Ein Polizeibeamter gab zu Protokoll, S. habe nach seiner Verhaftung gesagt, er habe schon mal auf jemanden uriniert; warum da jetzt "so ein Aufstand gemacht" werde?

Wie eigentlich die anderen Leute in der Bahn reagiert hätten, fragt die Richterin noch. Das sei das Schlimmste gewesen, sagt eine junge Zeugin. "Es hat keiner etwas gesagt."

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