Berlin:Muss mal

City Toiletten Berlin

252 öffentliche Toiletten gibt es in Berlin, zu wenig für die vielen Touristen.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Die Hauptstadt hat vielleicht bald wieder ein Problem, dieses Mal mit den öffentlichen Toiletten. Denn es wird ganz dringend ein neuer Betreiber für die Anlagen gesucht - auch mit dem Ziel, die Zahl der Klos deutlich zu erhöhen.

Von Pia Ratzesberger, Berlin

Der Zank um die öffentlichen Klos scheint in Berlin Tradition zu haben, denn auch als die Straßen noch stanken wie eine Kloake, stritt man sich darum, wer nun wann und wo Pissoirs aufstellt. Der Polizeidirektor hatte damals, 1854, mit Ernst Litfaß eigentlich einen Vertrag geschlossen, in manchen seiner Reklamesäulen sollte der Unternehmer Pissoirs einbauen. Er erfüllte den Vertrag nicht, verwies auf die fehlenden Wasserleitungen, ihn erreichten mehrere Klagen. Kein einziges Klo aber stellte Litfaß auf, er verdiente hervorragend an seinen Plakatsäulen, die bis heute seinen Namen tragen, und so ging es damals in Berlin um eine ganz ähnliche Sache wie heute: um Klos und um Werbung.

Um die meisten der öffentlichen Toiletten kümmert sich mittlerweile eine Firma namens Wall. Der Deal ist, dass die Stadt der Wall GmbH im Gegenzug kostenlose Werbeflächen überlässt, nicht nur an den Klohäuschen selbst, sondern zum Beispiel auch an Laternen, an Litfaßsäulen. Der Vertrag wird Ende kommenden Jahres auslaufen, und der Senat ihn nach fast 25 Jahren nicht verlängern, unter anderem "aus kartell- und wettbewerbsrechtlichen Gründen". Toiletten und Werbung sollen getrennt werden, denn schreibe man beides zusammen aus, könnten sich nur Unternehmen bewerben, die beides anbieten. Da gebe es nicht allzu viele, hieß es. Der Senat nimmt das zum Anlass, die Toilettensituation noch einmal grundlegend zu überdenken. Denn die Stadt braucht mehr Klos.

Der Senat wiederum braucht nun sehr schnell einen neuen Betreiber, die Firma Wall nannte das Vorhaben "ambitioniert". In der Vergangenheit ist die Hauptstadt nicht gerade durch ihre Erfolge aufgefallen, zu wenig Personal in der Verwaltung, zu alte Software auf den Rechnern, dann waren da noch "Lageso" und "BER", die Turbulenzen bei der Registrierung von Flüchtlingen im Landesamt für Gesundheit und Soziales und beim Bau des neuen Flughafens. Vor ein paar Monaten hat die Senatsverwaltung einmal durchzählen lassen: Die Waschbecken wurden geprüft, die Pissoirs, jedes Klo bekam eine eigene "Identifikationsnummer". 252 Klos waren es, das ist nicht unbedingt viel für eine Stadt mit immer mehr Gästen und mehr als drei Millionen Einwohnern. Ein Viertel der Toiletten aber war überhaupt nicht zu benutzen, war kaputt, gesperrt wegen Reparaturen oder Reinigung. Nun soll alles besser werden, denn die Senatsverwaltung hat ein "Toilettenkonzept" erarbeitet, mehr als 90 Seiten dick. Sicher ist: Berlin bekommt fünf neue Klos.

Manche Toiletten werden an einen anderen Ort versetzt, in vier Jahren dann sollen Dutzende zusätzliche Klos aufgestellt werden, vorausgesetzt, es ist genügend Geld da. Insgesamt 366 Toiletten wären das Ziel, sogar von bis zu 447 Toiletten ist die Rede, aber frühestens in sieben Jahren. Denn bevor neue Toiletten gebaut werden, braucht der Senat erst einmal die neue Firma, bis Anfang 2018 soll die gefunden sein - damit zumindest noch ein paar Monate Zeit ist, bis der Vertrag mit der Wall GmbH endet. Ob die Klos von Wall übernommen werden oder abgebaut, ist noch nicht entschieden. Die zuständige Senatorin Regine Günther versprach für den letzteren Fall, dass es "Interimstoiletten" geben werde. Die Berliner könnten dann an einem Ort sogar gleich zwei Toiletten vorfinden: ein Klo im Abbau, ein Übergangsklo.

Der Senat plant bisher, 130 Millionen Euro für Toiletten auszugeben, verteilt über die nächsten 15 Jahre, so lange nämlich soll der Vertrag mit dem neuen Betreiber laufen. Im Jahr wären das dann neun Millionen Euro, und diese Summe beunruhigt manche Politiker in der Hauptstadt. Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey zum Beispiel sagte einmal, sie wolle keinen "Toiletten-BER". Bevor Berlin seinen Vertrag über Klos und Werbung schloss, kosteten die öffentlichen Toiletten zehn Millionen Euro im Jahr. Und das ist fast 25 Jahre her.

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