Gewalttat gegen Flüchtlingsjungen:Täter erdrosselte Mohamed, weil er quengelte

Fall Mohamed/Elias - Kleingartensiedlung Luckenwalde

Gerichtsmediziner schieben eine Trage aus einer Kleingartensiedlung in Luckenwalde. Was sich in dem blauen Sack befindet, ist noch nicht bekannt.

(Foto: dpa)
  • Der 32-jährige Silvio S. aus Brandenburg hat gestanden, zwei Kinder getötet zu haben: den vierjährigen Mohamed aus Berlin und den sechs Jahre alten Elias aus Potsdam.
  • Mohamed war am 1. Oktober vom Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) in Berlin entführt worden. Elias war am 8. Juli vor seinem Elternhaus in Potsdam verschwunden.
  • In dem Schrebergarten des Mannes in Brandenburg hat die Polizei nun eine Leiche gefunden.

Als am 8. Juli der sechsjährige Elias aus Potsdam verschwand, gingen die Ermittler zunächst nicht von einem Verbrechen aus. Der Junge hatte im Sandkasten vor dem Plattenbau gespielt, in dem er seit wenigen Wochen mit seinen Eltern wohnte. Die Mutter hatte ihn die meiste Zeit vom Fenster aus im Blick. Auch die Nachbarn bemerkten nichts, was darauf hindeutete, dass Elias nicht freiwillig gegangen war.

Doch der Junge kam nicht mehr nach Hause und die Suche begann. Hunderte Menschen beteiligten sich, suchten die Nachbarschaft ab. Die Polizei durchkämmte Wiesen und Wälder, setzte einen Bagger der Bundeswehr ein, um das Ufer des nahen Flüsschens Nuthe umzugraben. Ohne Erfolg. Ein derart spurloses Verschwinden habe es seit zehn Jahren nicht mehr gegeben, sagte ein Polizeisprecher damals. Und wer weiß, vielleicht wäre der Fall nie aufgeklärt worden, hätte der mutmaßliche Täter nicht ein weiteres Verbrechen begangen.

Eltern benachrichtigten die Polizei

"Ohne die Bilder wäre es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen, den Täter zu finden", sagt ein Polizeisprecher an diesem Freitag bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt. Er meint die Bilder mehrerer Überwachungskameras, die zeigen, wie ein Mann den vier Jahre alten Flüchtlingsjungen Mohamed am 1. Oktober vom Gelände des Berliner Landesamts für Gesundheit und Sozialen (Lageso) führt.

Die Eltern des Täters erkennen ihren Sohn auf den Bildern. Eine Ahnung hätten sie schon früh gehabt, berichtet die Polizei. Doch der Sohn stritt ab, etwas mit Mohameds Verschwinden zu tun zu haben. Als die Polizei dann neue, hochauflösendere Bilder herausgibt, ruft die Mutter die Polizei. Als Silvio S. kurze Zeit später in seinem Elternhaus eintrifft, warten die Beamten schon auf ihn, finden in seinem Kofferraum den Leichnam des vierjährigen Mohamed.

Auf dem Polizeirevier gesteht der 32-Jährige: Er sei mit Spielzeug, Stofftieren und Kleidung zum Lageso gekommen, erzählt er den Beamten. Um für die Flüchtlinge zu spenden, wie er sagt. Er habe Mohamed ein Stofftier gegeben. Als der Junge ihm dann hinterherlief, habe er seine Hand genommen und ihn zu sich nach Hause ins brandenburgische Niedergörsdorf gebracht.

Silvio S. hat sein Opfer dort, in der Wohnung im ersten Stock seines Elternhauses, sexuell missbraucht. Das hat er ausgesagt und das legen auch die ersten Obduktionsergebnisse nahe. Am nächsten Tag weint das Kind längere Zeit, will zu seinen Eltern. Um seine Tat zu verdecken, aber auch um Mohameds Gequengel zu beenden, habe S. den Vierjährigen dann erdrosselt, sagt der Berliner Oberstaatsanwalt Michael von Hagen. Dann habe der Mann den Leichnam zunächst in eine Wanne auf den Dachboden und dann in den Kofferraum seines Autos gebracht.

Suche nach Elias' Leiche

Am Ende seiner Vernehmung gibt S. zu, ein weiteres Kind getötet und in einer Kleingartenanlage verscharrt zu haben. Der 32-Jährige habe von sich aus Elias' Namen genannt, sagt der Potsdamer leitende Staatsanwalt Heinrich Junker. Als ihm ein Foto gezeigt wurde, hat er den Jungen identifiziert.

Nach dem Geständnis machte sich die Polizei auf die Suche nach Elias' Leiche in einer Kleingartenkolonie im brandenburgischen Luckenwalde. Silvio S., der als Wachmann in Brandenburg arbeitet, hatte den Beamten die Skizze eines Grundstücks gezeichnet, das er dort gepachtet hat. Am Nachmittag gruben die Beamten dort ein Paket aus, in dem sich ein menschlicher Leichnam befand.

"Ob es sich dabei um die Leiche des vermissten Elias handelt, kann erst nach Beendigung der gerichtsmedizinischen Untersuchungen gesichert gesagt werden", teilte ein Sprecher der Polizei mit. Das Ergebnis der Obduktion wird wohl erst am Montag vorliegen.

Zu Elias habe sich der Festgenommene weniger ausführlich geäußert als zu Mohamed, sagt Staatsanwalt Junker. Insgesamt sei er gegen Ende der Vernehmung sehr wortkarg geworden. Obwohl, so sagen die Ermittler, das Geständnis wohl eine Erlösung für den Mann gewesen sei.

Beamte durchsuchen das Elternhaus des mutmaßlichen Täters

Dass Silvio S. gegen Ende seiner Vernehmung nicht mehr viel sagt, lässt eine wichtige Frage offen, die auch die Staatsanwälte und Polizisten auf der Pressekonferenz nicht abschließend beantworten können. Es ist die Frage, ob der 32-Jährige noch mehr Kinder getötet haben könnte. Nach dem Verschwinden von Elias hatten die Beamten einen Zusammenhang mit dem Vermisstenfall der fünfjährigen Inga aus Schönebeck nicht ausgeschlossen.

Das Mädchen hatte Anfang Mai mit seiner Familie in einem Waldstück bei Stendal Holz für ein Lagerfeuer gesucht und war plötzlich weg gewesen. Stendal liegt nur anderthalb Autostunden von Potsdam und etwas weiter von Berlin entfernt. Bei den Ermittlungen hatten die Beamten aus allen drei Städten eng zusammengearbeitet.

Aktuell geht die Polizei nicht davon aus, dass Silvio S. mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun haben könnte. Ausschließen können die Ermittler es aber nicht. Seit dem Vormittag suchen Beamte mit Spürhunden sein Elternhaus ab.

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